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Im Juli 2017 lud Kulturstaatsministerin Monika Grütters zahlreiche Prominente zum Frauen-Gipfel ins Kanzleramt, darunter Maria Furtwängler und Volker Schlöndorff.
© Jörg Carstensen/dpa

"Frauen in Kultur und Medien": Wo bleiben die Intendantinnen?

Vor einem Jahr startete das von Monika Grütters angeregte Projektbüro „Frauen in Kultur und Medien“. Die Linksfraktion moniert, die Kulturstaatsministerin sei da neuerdings leidenschaftslos.

Der Ton ist heftig. „Monika Grütters hat sich freigekauft“, heißt es in der Mitteilung von Simone Barrientos, kulturpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag. Die Fraktion wollte in einer Kleinen Anfrage von der Kulturstaatsministerin wissen, wie es um die Folgen des Runden Tischs „Frauen in Kultur und Medien“ bestellt ist und was das am 1. August 2017 beim Deutschen Kulturrat installierte Projektbüro erreicht hat. 29 Fragen sind aufgelistet, zur paritätischen Besetzung von Juries, zu den Mitteln für das „Kulturfrauenzimmer“ (O-Ton Grütters), zum Mentoring-Programm des Projektbüros, zu Frauen-Förderpreisen. Fazit: „Empowerment sieht anders aus!“ Die Antworten seien „uninformiert und leidenschaftslos“, ein „Schlag ins Gesicht“ derer, die sich für Gleichberechtigung in der Kultur einsetzen.

Nun sind die Antworten zunächst schlicht sachlich, wie meistens bei solch offiziellen Drucksachen. Mit 300 000 Euro aus der Schatulle der Kulturstaatsministerin ist das Projektbüro für zunächst drei Jahre ausgestattet. Finanziert wird damit eine 30-Stunden-Stelle für Cornelie Kunkat als wissenschaftliche Referentin plus Reise- und Druckkosten, etwa für Datenreporte. Der erste von insgesamt vier – zur sozialen und wirtschaftlichen Lage von Frauen in Kulturberufen – erscheint im Herbst.

Bundeskulturpolitik ist neben Großprojekten wie dem Humboldt-Forum meist Rahmengestaltung, weniger Direktfinanzierung als Anregung und Appell. Die Ausgestaltung bleibt im Föderalismus den Ländern und Kommunen überlassen. Gleichzeitig jedoch hat sich Grütters nach der Kulturrats-Studie von 2016 über die nicht gerade rosige Lage von Frauen in der Kultur- und Medienbranche das Thema energisch zu eigen gemacht. Im Juli 2017 lud sie zum Abschluss des Runden Tischs ins Kanzleramt, ein unter anderem mit Maria Furtwängler, Elisabeth Ruge und DT-Intendant Ulrich Khuon prominent besetztes Event. Symbolpolitik, ja, aber auch ein Signal, ein Versprechen, trotz mauem Ergebnis der Tischrunde mit längst bekannten Forderungen.

Bis zur Chancengleichheit ist es ein weiter Weg, heißt es aus dem Hause Grütters

Wie sieht es jetzt aus, exakt ein Jahr später? Den Antworten aus Grütters’ Behörde ist zu entnehmen, dass es bei den Jurys, die im Auftrag des Bundes Gelder, Preise und Stipendien vergeben – vom Büchner-Preis über die Villa Massimo bis zur Bundeskulturstiftung –, keinen Erdrutsch zugunsten von mehr Frauen in den Gremien gab. Was jedoch an der meist mehrjährigen Berufung vieler Jurys liegt. Und daran, dass die Quote schon vorher nicht schlecht war: 37 Jurys mit 207 Mitgliedern gibt es derzeit, davon sind 99 Frauen. Was Grütters' eigene aktuelle Spitzenpersonal-Entscheidungen betrifft - Hartmut Dorgerloh als Humboldt-Forum-Intendant, Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek als Berlinale-Doppelspitze -, lässt sich immerhin von einer Drittel-Frauenquote sprechen. Übrigens ist auch niemandem sonst für die künstlerische Leitung der Berlinale eine festival-erfahrene Frau von internationalem Renommee eingefallen, die Chatrian hätte ausstechen können.

Auf Nachfrage ist aus dem Hause Grütters von "ersten Umsetzungserfolgen" bei den sechs zentralen Forderungen des Runden Tisches die Rede. Neben der Gremien-Parität gehören dazu unter anderem kontinuierliche Datenerhebung und Mentoring. Die Verstetigung des Runden Tisches sei durch das Projektbüro realisiert, Klar sei allerdings, "dass es bis zur Herstellung völliger Chancengleichheit in Kultur und Medien noch ein weiter Weg ist. Die Auswirkungen jahrhundertelanger Benachteiligungen  lassen sich eben nicht mit einem Federstrich beseitigen."

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Ob paritätisch besetzte Gremienbesetzung auch zu paritätischer Mittelvergabe führt, darüber streiten die Expertinnen schon lange. Die MeToo-Debatte – bei der sich Grütters ebenfalls engagierte und eine 100.000-Euro- Anschubfinanzierung für eine Vertrauensstelle gegen sexuelle Belästigung bereitstellte – hat die Quotendiskussion einmal mehr angefacht. Und im Februar schlossen sich zahlreiche Berufsverbände zu ProQuote Film zusammen. Auch da dauert es, auch da geht es nur zäh voran.

Für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sind andere Ministerien zuständig

Anruf beim Kulturrat. Weil Referentin Cornelie Kunkat in Urlaub ist, gibt die Stellvertretende Geschäftsführerin Gabriele Schulz bereitwillig Auskunft. Sie ist im Stoff, verantwortet sie doch die Studie von 2016, erhebt seit 1995 Zahlen zur Frauenfrage und arbeitet jetzt auch bei den Datenreporten mit. „Eine Veränderung ist absolut zu sehen“, resümiert sie die eigene Langzeitbeobachtung. Bei Staats- und Landesbibliotheken (47 Prozent Frauen in Führungspositionen) und bei den Museen (30 Prozent) „greifen die Gleichstellungsmechanismen“. Aber bei den Theatern in Deutschlands sieht es schlecht aus, es gibt viel zu wenige Intendantinnen.

Das aktuelle Mentoring-Programm sieht Schulz weniger kritisch als Barrientos, die nur von „vereinzelten Netzwerktreffen“ gehört haben will. Im April lief die erste Runde an. 15 Verlegerinnen, Kulturmanagerinnen und Künstlerinnen (darunter zwei Männer) beraten junge Frauen mit bereits mehrjähriger Berufserfahrung. Minimum acht bis zehn Stunden im Halbjahr. Klingt nicht viel, aber die Rückmeldungen seien positiv. Sagt Schulz.

Bewusstseinsveränderung solle man nicht unterschätzen, meint sie. Dass ausgerechnet eine CDU-Politikerin sich das Thema auf die Fahnen geschrieben hat, rücke es in die bürgerliche Mitte der Gesellschaft. Aber „konkret hat sich noch zu wenig getan“, meint auch Schulz. Etwa bei der angemahnten größeren Familienfreundlichkeit kultureller Institutionen. „Die Kulturstaatsministerin kann keinen Betriebskindergarten im Stadttheater Braunschweig eröffnen“, verweist Schulz auf die eingeschränkten Befugnisse von Grütters. Auch die Behörde selbst stellt klar, die Schaffung familienfreundlicher Arbeitsbedingungen liege in der Verantwortung von Arbeits- und Familien-Ministerium. Engagement klingt anders. Noch letztes Jahr hatte Grütters durchaus dafür geworben, den nicht gerade familienverträglichen Berufsalltag von Musikern und Theaterschaffenden flexibler zu gestalten. Für Mütter und Väter.

Und wie steht es um die Zukunft des Gabriele Münter Preises?

Und sie könnte sich klarer zu Preisen für Frauen positionieren. Ist die Zukunft des renommierten Gabriele Münter Preises gesichert? Da wünschte man sich als Antwort ein deutliches Bekenntnis, kein schmallippiges „Überlegungen dauern an“. Gegenüber dem Tagesspiegel verweist man zudem wieder auf das federführende Familienministerium. Warum zieht Grütters die Preisvergabe nicht an sich? Oder befördert wenigstens die Debatte über Sinn und Zweck von Frauenpreise? Ob sie überhaupt nötig sind (was die Linke für selbstverständlich hält) oder es sich eher um einen unterschwellig sexistischen Bonus für Schwache handelt, auch das ist eine alte, immer noch offene Frage.

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