Münter Preis an Beate Passow: Gestickte Steckbriefe
Späte Gerechtigkeit: Die Münchner Künstlerin Beate Passow bekommt den Gabriele Münter Preis.
Goethes „Faust“, Hölderlins „Hyperion“, Kleists „Marquise von O.“ – Beate Passow hat die Feldpostausgaben der Klassiker auf ein Regal gelegt. Die Büchlein sind halb so groß wie Reclam-Hefte und konnten überall mitgenommen werden. Später erzählten Kriegsteilnehmer, wie ihnen ein einziges Buch als Kompass im Chaos diente. Der Krieg mit den deutschen Dichtern in der Tasche – die lakonische Arbeit veranschaulicht, wie Passow in ihrem Werk den gewohnten Blick umlenkt.
Nach sieben Jahren Pause wurde der mit 20 000 Euro dotierte Gabriele Münter Preis für Künstlerinnen über vierzig Jahre jetzt wieder vergeben, an Beate Passow für ihre „künstlerische Haltung“. Die vom Bundesfamilienministerium ausgelobte Auszeichnung berücksichtigt, dass Künstlerinnen eine andere Karrierekurven durchlaufen als ihre Kollegen. Bei ihnen verzögern Familiengründung und die unterschiedliche Bewertung des Marktes häufig den Durchbruch. Was bei jungen Künstlern als roh und wild fasziniert, wird bei ihren Kolleginnen oft als unsicher moniert. Ehe sich Sammler finden, müssen sie oftmals ein ausgereiftes Werk vorweisen. Dann gelten sie schnell als alt.
2012 war Passow im Iran auf Reisen
Beate Passow, 1945 in Stadtoldendorf geboren, studierte in München, wo sie bis heute lebt. Die Künstlerin arbeitet in verschiedenen Medien. Eine wiederkehrende Strategie ist der Perspektivwechsel. In der Foto-Serie „Picknick in Persien“ hat sie 2012 auf einer Iran-Reise Menschen bei der Pause porträtiert. Trucker, die im Schatten ihres Lasters eine Decke ausgebreitet haben und Wasserpfeife rauchen. Ein junges Paar, das auf der Veranda in den Bergen zwischen Kissen ruht. Zwei Frauen, die an einer Autobahnraststätte rauchen. Die Bilder vermitteln Entspannung. Im Fremden können die Betrachter das Vertraute entdecken. Schwer verdaulich ist die Serie mit Steckbriefen gesuchter Terroristen von Ulrike Meinhof bis zu den NSU-Mördern. Passow hat die Amtsschreiben in Seide sticken lassen. Die heimische Handwerkstechnik rührt an der unbequeme Frage, wie Terror aus dem Inneren eines Landes entstehen kann.
Gern hätte man mehr von ihr gesehen. Irritierend wirkt die Entscheidung, in der Ausstellung zusätzlich Werke von 19 Finalistinnen zu zeigen. Warum keine Einzelausstellung? Da die Künstlerinnen keine andere Gemeinsamkeit haben als ihr Geschlecht, gerät die Schau beliebig. Hier gewinnen plakative Arbeiten wie „Battleground“. Rose Stach hat einen Orientteppich schwarz bemalt und das alte Muster nur in den Umrissen eines Panzers freigelassen. Der Publikumsrenner ist das lustige Video „Once upon a Time“ von Corinna Schnitt, in dem Tiere eine Wohnung in Besitz nehmen. Strenge Abstraktionen wie die Stelen von Vera Röhm oder auch die dunklen Realitäten, die Heike Ruschmeyer in gerichtsmedizinischen Fotos findet, haben es schwer in diesem Zusammenhang.
Dass in der Ausstellung eine Arbeit von Akademiemitglied Ulrike Rosenbach gezeigt wird, die in der Preisjury saß, hinterlässt ein Geschmäckle. Sehr schön aber ist die Idee der Kuratorin Angela Lammert, der Schau frühe Fotos der Namenspatronin des Preises voranzustellen. Mit 19 reiste Gabriele Münter zu Verwandten in die USA und nahm die Weite der Landschaft auf. Die Bilder berühren in ihrem unschuldigen Staunen und verraten schon die Sicherheit in der Gestaltung. Sie war 44 Jahre alt, als der Blaue Reiter an die Öffentlichkeit trat.
Akademie der Künste, Hanseatenweg 10, vis 17. 4.; Di bis So 11 - 19 Uhr
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