Im Kino: "Maggies Plan" von Rebecca Miller: Wir Chaosforscher
Verliebt, verpeilt, verheiratet: Rebecca Millers „Maggies Plan“ ist eine virtuose New-York-Komödie im Stile Woody Allens. Greta Gerwig bezaubert in der Hauptrolle.
Vielleicht ist das ja alles autobiografisch, ein wild-verrückter Reim auf den Lebenslauf der Regisseurin. Der lässt sich beim besten Willen nur als kreatives Chaos vorstellen: Rebecca Miller, Schriftstellerin, Filmemacherin, Schauspielerin, Malerin, Tochter des Dramatikers Arthur Miller und der Magnum-Fotografin Inge Morath, aufgewachsen in Roxbury, Connecticut, zu den Nachbarn zählten die Choreografin Martha Clarke und der Bildhauer Alexander Calder. Verheiratet mit Daniel Day-Lewis seit bald 20 Jahren, drei Söhne, einer stammt aus der früheren Beziehung des Schauspielers zu Isabelle Adjani.
Was passt besser zu so einer Frau als Romantitel wie „Personal Velocity“, die auf Deutsch dann „Als sie seine Schuhe sah, wusste sie, dass sie ihren Mann verlassen würde“ heißen? Oder Drehbücher für schnelle freche Filme, für Neo-Screwball-Comedys und Tragikomödien über Patchworkfamilien und andere Überlebenskünstler? Voller Leute, die ihr Leben leben, aber da ist plötzlich ein anderes, und alles kommt durcheinander?
Die kapriziöse Akademikerwelt New Yorker Großstadtneurotiker ist Setting für den Film
Die unwiderstehliche Greta Gerwig ist Maggie Hardin in „Maggies Plan“, Rebecca Millers fünfter Regiearbeit nach eigenem Drehbuch, nach ihren Festivalerfolgen „The Ballad of Jack and Rose“ (2004) und „Pippa Lee“ (2009). Das Setting: kein Künstlerambiente, sondern die nicht weniger kapriziöse Akademikerwelt New Yorker Großstadtneurotiker – Woody Allen lässt grüßen. Maggie arbeitet in der Kunst-Fakultät der Uni, sie will endlich ein Kind, auch ohne Mann. Wir leben in modernen Zeiten. Selbstbefruchtung tut’s auch, der Saure-Gurken-Unternehmerfreak Guy, ein guter Kumpel – am besten schmecken seine bayerischen Gurken im Glas – ist bereit, den Samen zu spenden.
Was folgt? Ein kreatives Chaos: Pünktlich zum Befruchtungstermin kreuzt John Harding in Maggies Leben auf – ihre Gehaltsschecks werden verwechselt, wegen der Nachnamensähnlichkeit. John ist einer dieser hyperegoistischen und dennoch herzerwärmend verpeilten Typen, wie nur Ethan Hawke sie spielen kann. Er unterrichtet „ficto-critical anthropology“ – so was gibt’s auch nur an amerikanischen Unis – und hält sich für einen verkannten Romancier, dessen Talent vom Alltag mit Tochter, Sohn und dominanter Intellektuellengattin Georgette systematisch behindert wird. Julianne Moore gibt diese Columbia-Starprofessorin, herrlich zickig, mit dänischem Akzent.
Maggie schenkt John und seinem unveröffentlichten Roman die Aufmerksamkeit, die ihm so bitter gefehlt hat. Mit dem Ergebnis, dass Maggies Tochter Lily doch recht klassisch zustande kommt, John endlich an seinem Roman weiterschreibt und Maggie, um ihm den Rücken frei zu halten, die geballte Patchwork-Hektik auf sich lädt. Mit eigenem Kind, den zwischen Mom und Dad pendelnden Stiefkindern und der Ex ihres Möchtegern-Schriftsteller-Gatten. Wobei sich schnell herausstellt: Auch das andere Leben ist nicht das wahre. Maggie braucht einen neuen Plan, dringend.
Virtuose Dialoge, Situationshysterie und hohes Tempo
Wie alle guten Komödien lebt Rebecca Millers Film vom Tempo. Von Dialogwitz und Situationshysterie, wenn etwa alle Familienmitglieder beim Mittagessen verstohlen auf ihren Smartphones herumdaddeln, die gestressten berufstätigen Mütter mittels Biofeedback-Technik ihren Adrenalinspiegel zu senken versuchen oder Maggie irgendwann aufseufzt, dass sie es leid ist, immer sie selber zu sein. Anfangs stapft sie entschieden ihrer Zukunft entgegen, um jedoch bald festzustellen, dass ihre Kontrollkünste keine Chance haben gegen die Unberechenbarkeit der menschlichen Existenz. Zumal, wenn alle nur an der eigenen Karriere herumbasteln und am eigenen Glück.
Vielleicht allerdings sind all diese Zufälle und Turbulenzen ein bisschen zu sorgfältig arrangiert: die virtuosen Dialoge, das adrett improvisierte Appartement, die stylishen Normalo-Klamotten, die süße Lily beim Schlittschuhlaufen – alles so abgezirkelt. Keine echte Unordnung, nichts Schmuddeliges, Überständiges. Egal, „Maggies Plan“, Publikumshit auf der jüngsten Berlinale und Independentkino mit Hollywood-Ambitionen, dürfte Rebecca Millers Durchbruch Richtung Mainstream sein. Und: Die Chaosforschung lebt. Das Kino braucht immer mal wieder New-York-Komödien, auch im Smartphone- und Social-Freezing Zeitalter. Woody Allen dreht ja schon länger keine mehr.
In 13 Berliner Kinos. OmU: Bundesplatz, Central, Odeon, Kulturbrauerei, Rollberg; OV: Cinestar Sony-Center
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