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Wirklich feministisch? Anna Bergmanns "Persona" beim Berliner Theatertreffen.
© Arno Declair

Frauenquote beim Berliner Theatertreffen: Wie kommt das Theater zu anderen Rollenbildern?

Beim Berliner Theatertreffen diskutieren alle über die geplante Frauenquote. Eine wirklich Gender-blinde Auswahl der Stücke wäre die bessere Lösung.

Nicht, dass die Aufführungen des heute zu Ende gehenden Berliner Theatertreffens keinen Diskussionsstoff geboten hätten. Trotzdem: Die sonst so saftigen Foyer-Gespräche spielten dieses Jahr eine Nebenrolle. Wie hast du es mit der Frauenquote, lautete stattdessen die Frage, mit der man sich bei Bier und Brezel gegenseitig in der Pause überfiel. Ein Ziel haben die Berliner Festspiele also schon mal erreicht mit dem Beschluss, dass ab dem kommenden Theatertreffen, für zunächst zwei Jahre, mindestens die Hälfte der zehn eingeladenen Inszenierungen von Regisseurinnen stammen muss. Die Debatte um Geschlechtergerechtigkeit ist im Branchenbewusstsein angekommen.

Es ist klar, dass man in den letzten zwei Wochen für die Quote plausible Argumente hörte. Eine junge Schauspielerin vertrieb sich die Wartezeit in der Getränkeschlange des Festspielhauses zum Beispiel damit, all die grottenschlechten Inszenierungen von Männern Revue passieren zu lassen, in denen sie in den letzten Monaten auf der Bühne gestanden habe, um schließlich in ein flammendes Plädoyer zu münden: Gleiches Recht auf weibliche Bühnenmist-Verzapfung!

Genau darum geht es, nachvollziehbarerweise, bei der Quote: Man will korrigierend auf die Häuser einwirken, die zum Theatertreffen eingeladen werden wollen, weniger auf die Jurorinnen und Juroren. Die derzeitige Situation – etwa 70 Prozent aller Inszenierungen an deutschen Bühnen stammen von Männern – bildet sich in der Auswahl des Theatertreffens einigermaßen zuverlässig ab; dieses Jahr mit der Einladung von sieben Regisseuren und drei Regisseurinnen (inklusive eines vorwiegend weiblichen Regiekollektivs) sogar eins zu eins. Die Jury selbst scheint also auch ohne Quote ziemlich geschlechtergerecht zu schauen. Dass sie sich davon vor allem einen Anreiz für Intendantinnen und Intendanten erhoffe, Frauen häufiger für Produktionen auf der großen Bühne zu engagieren, hat die Theatertreffen-Leiterin Yvonne Büdenhölzer immer wieder betont.

Ideal wäre eine Blindfold-Sichtung der Inszenierungen

Ich führte mein interessantestes Foyergespräch dieses Jahr mit einem Intendanten, der ein reizvolles Gedankenspiel anregte. Ideal und also besser als die Quote wäre eine gendertechnische Blindfold-Sichtung der Inszenierungen durch die Jury, meinte er: Schade, dass es im Theaterbetrieb nicht möglich sei, Aufführungen in bewusster Unkenntnis über die Geschlechtszugehörigkeit der Regie führenden Personen zu beurteilen!

Der Gedanke ist interessant, denn er lenkt den Blick von der Betriebsstruktur weiter auf das (von der Jury) ja letztlich zu beurteilende ästhetische Phänomen. Damit kommt eine zweite Frage in den Blick, die in der aktuellen Gender-Debatte zu Recht viel diskutiert wird: Wie werden Frauen(figuren) eigentlich auf der Bühne repräsentiert? Was der Kanon für Schauspielerinnen vorsieht, ist bekannt, Hamlet redet über die Welt und Ophelia über Hamlet. Männliche Theaterfiguren beackern universelle Themen, weibliche zerbrechen an männlichem Liebesentzug. Und wenn ihre Darstellerinnen Pech haben, tun sie das auch noch „hinten im Gegenlicht im BH im Regen“, während der Kollege vorn an der Rampe den substanziellen Schlussmonolog hält, wie es die Schauspielerin Katrin Wichmann kürzlich auf den Punkt brachte.

Was den Blindfold-Gedanken so interessant macht, ist der Eindruck, dass in der gegenwärtigen Diskussion beide Aspekte der Gender-Debatte – der institutionelle und der ästhetische – selbstverständlich in eins gesetzt werden. Man scheint irgendwie unausgesprochen davon auszugehen, dass Regie führende Frauen automatisch auch die progressiveren Geschlechterbilder produzieren.

Frauen nicht per se die besseren Führungspersönlichkeiten

„Wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht in die biologistische Ecke drängen lassen“, warnte die künstlerische Leiterin der Sophiensäle, Franziska Werner, auf der „Burning-Issues“-Konferenz zur Gender(un)gleichheit, mit der das Theatertreffen dieses Jahr programmatisch endete. Dort war im Auftakt-Panel viel von weiblichen Leitungsstilen die Rede, ohne dass sie näher spezifiziert worden wären. „Frauen sind nicht per se die besseren Führungspersönlichkeiten“, sagt Werner.

Recht hat sie, und ihr Einwurf ließe sich nahtlos auf die inszenatorische Geschlechterbild(re)produktion übertragen. Es wäre interessant, wie die unter dem Feminismus-Aspekt allenthalben gefeiertste Inszenierung der diesjährigen Theatertreffen-Auswahl, Anna Bergmanns, „Persona“ vom Deutschen Theater, im Blindfold-Test abgeschnitten hätte. In Ingmar Bergmans Film, der dem Abend zugrunde liegt und dem man seine Verortung in den 1960er Jahren deutlich anmerkt, geht es um eine Schauspielerin, die sich aus akutem Verlogenheitsekel heraus zurückgezogen hat.

Die Krankenschwester, die zu ihrer Pflege abkommandiert ist, nutzt die Gelegenheit, mit der stummen Diva in ein kompliziertes Identifikations- und Konkurrenzverhältnis zu treten, in dem auch Männer einen relativ breiten Reflexionsraum einnehmen. Diese beiden Charaktere, die ohnehin nicht zum Fortschrittlichsten gehören, was der Geschlechterrollenmarkt zu bieten hat, werden von der Regisseurin Anna Bergmann in abendfüllende Wasserplanschspiele geworfen, wie man sie auch von Regisseuren sattsam kennt, quer durch die Generationen-Bank von Armin Petras bis Claus Peymann.

René Pollesch ist einer der feministischsten Regisseure

Nichts gegen dekorative Wasserpfützenchoreografien, aber als Ikone eines neuen Bühnen-Feminismus leuchten sie beim besten Willen nicht ein. Zumal im Vergleich mit einer anderen zum Theatertreffen eingeladenen Inszenierung: She She Pops „Oratorium“. Die beschäftigt sich, formal angelehnt an Brechts Lehrstück-Methode, mit Eigentum, dem zusehends komplizierter werdenden Verhältnis zwischen ökonomischem und symbolischem Kapital und der Schwierigkeit demokratischer Aushandlungsprozesse: Hamlet-Sujets, keine Ophelia-Themen. Daran arbeitet das Frauenperformance-Kollektiv seit jeher: jene Diskurse, die in der traditionellen Bühnen-Welt männlichen Protagonisten vorbehalten sind, in aller Selbstverständlichkeit mit eigenen Perspektiven zu besetzen.

Ein Vorreiter dieser Methode – und so gesehen einer der feministischsten Regisseure überhaupt – ist René Pollesch. Er hat nie einen Unterschied gemacht, ob seine Theorie-Pop-Diskurse von Martin Wuttke oder Kathrin Angerer, von Fabian Hinrichs oder Astrid Meyerfeldt gesprochen werden. Als seine luziden Sprachkaskaden zur neuen Arbeitswelt, zur generell ziemlich komplexen Subjekt-Objekt-Dynamik und den realkapitalistischen (Selbst-)Ausbeutungsverhältnissen Ende der 1990er Jahre im Theater auftauchten und in aller Selbstverständlichkeit von Schauspielerinnen wie Christine Groß, Caroline Peters und Catrin Striebeck über die Volksbühnen-Rampe geballert wurden, war das ein Meilenstein; nicht nur, aber eben vor allem auch unter Gender-Gesichtspunkten.

Dahinter fallen Kategorien wie eine vermeintliche männliche oder weibliche Regie in der gegenwärtigen Debatte zurück.

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