Berliner Theatertreffen: Eine Quote für Regisseurinnen schadet Frauen am Theater
Das Festival will mit einer Quote für Regisseurinnen ein Zeichen setzen. Aber Geschlecht ist kein Kriterium für Kunst. Ein Kommentar.
August Strindberg galt einmal als exemplarischer Frauenverächter. Inzwischen wird er auch als Vorkämpfer starker Frauen gesehen. Seine Protagonistinnen haben nichts von Heimchen oder Opferweibchen. Im Kanon der – modernen – Klassiker ist er ein untypischer Mann.
Mit „Hotel Strindberg“, einer zeitgenössischen Adaption der Welt des schwedischen Dramatikers, eröffnet an diesem Freitag im Haus der Festspiele das Theatertreffen. Simon Stones Inszenierung, eine Koproduktion vom Burgtheater Wien und dem Theater Basel, hätte in Zukunft allerdings nicht mehr so gute Chancen, nach Berlin eingeladen zu werden. Überraschung: Das Theatertreffen führt eine Frauenquote ein. Fünf der zehn „bemerkenswerten“ Inszenierungen sollen ab 2020 von Regisseurinnen sein.
Jury ist nicht mehr frei
Das klingt zupackend, da wird ein Zeichen gesetzt. Jedenfalls auf den ersten Blick. Bei näherem Hinschauen erweist sich die Quotenentscheidung als sehr schlicht. Das Theatertreffen, wie wir es mutatis mutandis seit 1964 kennen, ist damit erledigt. Der ohnehin absurd komplizierte Jurymodus – sieben Kritikerinnen und Kritiker nehmen an die 400 Aufführungen unter die Lupe – bekommt auch noch einen politischen Auftrag. Geschlecht als Kriterium für Kunst. Die Jury ist nicht mehr frei.
Die entscheidende Frage lautet: Hilft es den Frauen am Theater? Das Theatertreffen selbst steht eigentlich gut da. Es wird seit vielen Jahren von Yvonne Büdenhölzer geleitet. Die Jury ist in der Mehrheit weiblich, vier zu drei. Warum hat dieses Gremium für das Festival 2019 eine Wahl getroffen, in der (nur) drei von zehn Inszenierungen von Regisseurinnen stammen? Hat es vielleicht mit Qualität zu tun?
So werden kaum Regiejobs für Frauen geschaffen
Die Quote bei einem Festival führt zu absurden Konstellationen. Denn sie setzt hier komplett auf die Regie, die traditionelle männliche Machtbastion. Machismo andersherum. Regisseurinnen sollen her. Aber was ist mit Bühnenbildnerinnen? Fallen Anna Viebrock und Katrin Brack künftig durch, wenn sie weiter mit Kerlen arbeiten? Werden Stücke mit herausragenden Schauspielerinnen nicht mehr eingeladen, weil ein Mann Regie führt? Was ist mit Dramatikerinnen, Dramaturginnen, Kostümbildnerinnen, Intendantinnen? Zählen sie nicht?
Das Theatertreffen versucht eine Reform von oben – künstlich und kunstfeindlich. Damit werden kaum Regiejobs für Frauen geschaffen. Das kann und muss an der Basis passieren. Und: Regisseurinnen haben es auf dem immer schon harten, manchmal unbarmherzigen Berliner Podium am Ende jetzt noch schwerer: Sind sie der Quote wegen eingeladen oder als Künstlerinnen? Kein Mann muss sich das fragen.