50 Prozent Regisseurinnen: Berliner Theatertreffen führt Frauenquote ein
Weg von der Idee des rein männlichen Geniekults: Mindestens die Hälfte der ausgewählten Stücke beim Berliner Theatertreffen soll künftig von Frauen stammen.
Das Berliner Theatertreffen führt eine Frauenquote ein. In den kommenden beiden Jahren soll mindestens die Hälfte der zehn ausgesuchten Stücke von Regisseurinnen stammen. „Im Theatertreffen gibt es eine großes Missverhältnis zwischen männlichen und weiblichen Regisseuren. Und das seit den 1960er Jahren“, sagte Festivalleiterin Yvonne Büdenhölzer in Berlin.
Für das Theatertreffen in der Hauptstadt wählt eine Jury jedes Jahr die „zehn bemerkenswertesten Inszenierungen“ aus dem deutschsprachigen Raum aus. Bei der aktuellen Ausgabe, die am Freitag (3. Mai) beginnt, stammen drei der zehn ausgesuchten Stücke von Regisseurinnen oder einem überwiegend weiblichen Kollektiv.
„Ich dachte lange, es geht auch ohne Quote. Aber ich habe einfach gemerkt: Es ändert sich nichts“, sagte Büdenhölzer. Daher gebe es nun für die Jahre 2020 und 2021 die Quotenregelung. „Freundliche Absichtserklärungen, mehr Regisseurinnen zu nominieren, reichen nicht. Es braucht ein Instrument von außen und das Theatertreffen kann hier eine Vorreiterrolle einnehmen.“
Frauen weiterhin unterrepräsentiert
Frauen seien in vielen Positionen im Theater unterrepräsentiert, sagte Büdenhölzer. „Das zeigt sich bei den Regisseurinnen, aber auch in der Besetzung von Intendanzen.“ Die meisten Theater - vor allem die großen Häuser - würden von Männern geleitet
Büdenhölzer verweist auf eine frühere Studie im Auftrag von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU). Demnach kamen 2013/2014 Frauen bei der Bühnenleitung seltener zum Zuge als Männer. „Die Leitung von Theatern ist eine Männerdomäne, hier hat sich in den letzten 20 Jahren nur sehr wenig geändert“, hieß es damals.
Der geschilderte Anspruch ist selbstverständlich und in einem entsprechenden Ergebnis natürlich auch erstrebenswert. Dennoch hat aber Kunst, auch Bühnenkunst, in ihrem Schaffensprozess weder etwas mit Demokratie, noch etwas mit Quote oder Ausgewogenheit zu tun.
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„Auch bei den Stoffen sieht man ein deutliches Missverhältnis“, sagte Büdenhölzer. „Schaut man sich den klassischen Kanon an, sind überwiegend Stücke zu finden, in denen Männern die Hauptfiguren zugesprochen werden.“ Unter den Klassikern seien weiblich dominierte Stücke wie „Maria Stuart“ oder „Drei Schwestern“ Ausnahmen. „Frauen tauchen in vielen klassischen Stücken vor allem als Ehefrau, Mätresse, Dienstmädchen, Hure oder Botin auf.“
Bei zeitgenössischen Stücken seien die Rollen schon etwas anders. Aber es gebe nach wie vor viel weniger Autorinnen als Autoren, die die Spielpläne mitbestimmten, sagte Büdenhölzer. Während des Theatertreffens soll es zu diesen verschiedenen Aspekten nun eine „Konferenz zu Gender(un)gleichheit“ geben. Dort soll unter anderem Autorin Charlotte Roche („Feuchtgebiete“) sprechen.
Signal für die Theaterszene
„Wenn man sich fragt, warum es so ein starkes Missverhältnis gibt, dann gibt es eine einfache Antwort: Das hat mit Strukturen zu tun“, sagt Büdenhölzer. Theater seien keine familienfreundlichen Betriebe und zu lange auch zu hierarchisch geleitet worden. „Und Frauen - egal ob mit oder ohne Familie - haben es in diesem Betrieb einfach viel schwerer“, sagte Büdenhölzer.
Aus ihrer Sicht muss die Arbeit am Theater familienfreundlicher werden. Zum Beispiel brauche man als Schauspielerin bei einer Vorstellung oder Probe am Abend eine Kinderbetreuung. „Das gilt übrigens genauso für Männer. Dafür müssen die Theater Verantwortung übernehmen und entsprechende Budgets für Babysitter schaffen.“ Es seien schon einige Dinge im Umbruch, manche Häuser hätten etwa den probenfreien Samstag eingeführt.
Büdenhölzer will mit ihrer Regiequote in den kommenden beiden Jahren ein Signal für die Theaterszene setzen. Das werde auch etwas an den Sehgewohnheiten der Jury ändern. „Ich wünsche mir, dass Frauen stärker als Künstlerinnen gefördert und nicht nur als „fleißige Handwerkerinnen“ gesehen werden“, sagte Büdenhölzer. „Und dass man wegkommt von der Idee des rein männlichen Geniekults.“ (dpa)