Theaster Gates im Gropius Bau: Wie das schwarze Amerika seine Identität fand
„The Black Image Corporation“: Theaster Gates zeigt Bilder von selbstbewussten schwarzen Frauen im Gropius Bau. Ein Gespräch.
Sie sind schön, sie sind elegant, sie tragen glitzernde Abendkleider. Im Gropius Bau zelebriert der Chicagoer Künstler Theaster Gates in der Ausstellung „The Black Image Corporation“ die Schönheit und Eleganz der schwarzen afroamerikanischen Frau. Und er stellt damit die Frage, wie plural unsere Gesellschaft ist. Sind wir es mittlerweile gewohnt, starke schöne schwarze Frauen zu sehen?
Die Zuschauer dürfen in die Ausstellung, die am heutigen Donnerstag eröffnet wird und bis zum 28. Juli läuft, eingreifen, Exponate arrangieren und kombinieren – und somit das Bild der afroamerikanischen Frau mitbestimmen. Theaster Gates nutzt für diese interaktive Schau das Archiv der 1942 von John H. Johnson in Chicago gegründeten Johnson Publishing Company, einem der wenigen Verlage unter afroamerikanischer Leitung, der im April Insolvenz anmelden musste.
In den 1940er und 1950er Jahren brachte die Johnson Publishing Company mit „Ebony“ und „Jet“ zwei ikonische Publikationen auf den Markt, die einen bedeutenden Beitrag zur Entwicklung der afroamerikanischen Kultur in den USA leisteten. Beide Magazine berichten über Mode, Prominente, Familienthemen und Sport genauso wie über politische Ereignisse. Die Ausstellung zeigt Modefotografien, die Moneta Sleet Jr. and Isaac Sutton für „Ebony“ und „Jet“ geschossen haben. Zu sehen sind schwarze Frauen, Schauspielerinnen und Models, die Stil und Selbstbewusstsein ausstrahlen. „Ein visuelles Lexikon schwarzer Kultur“, sagt Gates, der die Ausstellung bereits in der Fondazione Prada in Mailand und anderen europäischen Städten gezeigt hat. Gates ist Performer, Keramiker und Stadtplaner, er ist dafür bekannt, sterbende Stadtviertel wiederzubeleben. In Chicagos South Side kaufte er mehrere alte Gebäude und siedelte dort Verlage, Bibliotheken und Start-ups der schwarzen Community an, lässt Gemeinschafts- und Kunstprojekte darin stattfinden. Hier erklärt er, warum er jetzt die Archive von „Jet“ und „Ebony“ öffnet.
Herr Gates, in Ihren Projekten geht es oft darum, mit Kunst die Gesellschaft zu verändern. Die Beziehung zu Objekten spielt dabei eine zentrale Rolle. Ist das der Grund, warum Sie mit dem Archiv der Johnson Publishing Company arbeiten?
Als Künstler interessieren mich Dinge. Das Arbeiten mit Sammlungen war schon immer Teil meiner künstlerischen Arbeit. Noch wichtiger ist aber die Beziehung, die ich zu den Besitzern der Sammlungen habe. Linda Johnson-Rice, die Besitzerin des Archivs der Johnson Publishing Company, ist eine Freundin von mir. Als sie mir erzählte, sie müsse es womöglich verkaufen, fragte ich, ob ich es zuvor in einem Museum ausstellen und feiern dürfte. Museen sind geeignete Orte, um diese Fotos in unserem Bildgedächtnis präsent zu halten.
Drohen sie denn zu verschwinden?
Nach einem Fotoshooting bei Johnson Publishing verschwanden die Bilder im Archiv. Sie waren ziemlich schnell Schnee von gestern, genauso wie die Mode der letzten Saison. Das Unternehmen hat selbst erst vor Kurzem die Bedeutung seines Archivs erkannt. Diese Bilder wurden nur in einem schwarzen Kontext gesehen, oder von Leuten, die die Zeitschriften kaufen. Jetzt sinken die Verkaufszahlen der Zeitschriften, wir müssen andere Möglichkeiten finden, um diese Bilder schwarzer Kultur in der Welt zu verbreiten.
In der Ausstellung sehen wir einige große Prints von schönen schwarzen Models in aufregender Mode. Andere Aufnahmen, auch von Müttern, Schauspielerinnen und Sportlerinnen, stecken in hölzernen Kabinetten und können von den Besuchern selbst herausgezogen und arrangiert werden. Ist das das Bild der schwarzen Frau von den 40ern bis zu den 70er Jahren?
Man sieht schöne schwarze Frauen in der Show, Frauen, die in der Lage waren, den Alltag zu verändern. Man sieht ein Bild der schwarzen Mittelschicht, das zum ersten Mal von Schwarzen definiert wurde. In den 40er und 50er Jahren waren „Ebony“ und „Jet“ sehr wichtig für die Bildung eines starken, positiven schwarzen Bewusstseins. Wir sprechen hier von versklavten, unterdrückten Menschen, über die es fast nur negative und stereotype Bilder gab, die von weißen Amerikanern geschaffen und verbreitet wurden. Aber dann hatten wir plötzlich Zeitschriften, die Schwarzen gehörten und die es ermöglichten, über Dinge zu sprechen, die für Schwarze relevant sind. Ja, Sie werden in der Ausstellung Bilder von schwarzen Frauen sehen, aber diese Bilder sind Teil einer größeren Philosophie. Das Archiv zeigt schwarzen Menschen auf der ganzen Welt, dass wir erfolgreich sein können. Das ist das heroische Moment dieser Sammlung: Sie hat ein positives schwarzes Bewusstsein geschaffen.
Sind Publikationen wie „Ebony“ und „Jet“ heute noch genauso wichtig wie in den 70er Jahren?
Vor Kurzem war ich in Paris bei einer Modenschau von Valentino. Es war das erste Mal, dass Valentino eine fast ausschließlich mit schwarzen Models besetzte Show zeigte. Der Designer Pierpaolo Piccioli hat Bilder von „Ebony“ und „Jet“ als Inspiration für die Ausstellung verwendet. Er wurde sehr dafür gelobt, dass er schwarzen Models den Laufsteg überließ. Alle geben zu, dass weiße Models dominieren, und auch die Administration und das Business in der Mode ist immer noch sehr von weißen Menschen dominiert, wenn nicht ausschließlich weiß. Solche Zeitschriften und Bilder sind also absolut relevant, bis eine vollständige Integration aller Minderheiten stattgefunden hat.
Wo stehen wir Ihrer Meinung nach: Sind schwarze Menschen in der Populärkultur ausreichend repräsentiert?
Es gibt viele schwarze Models, viele großartige Hip-Hop-Künstler, viele erfolgreiche Sänger und Musiker, aber nur wenige Schwarze besitzen ihre eigene Galerie, ihr eigenes Museum oder ihre eigene Modemarke. Das zeigt mir: Unsere Nation lehrt schwarze Menschen, guter Inhalt zu sein, aber sie zeigt ihnen nicht, wie sie zur Plattform werden. Wir müssen den Leuten beibringen, nicht nur begeisterte Basketballspieler zu sein, sondern der Besitzer der Basketballmannschaft.
„The Black Image Corporation“ ist also nicht nur eine Ausstellung im Museum, sondern eine Art Struktur und Verbreitungskanal für schwarze Kultur?
Ich will zeigen, dass das Herstellen von Plattformen interessant, kreativ und inspirierend sein kann. Die „Black Image Corporation“ kann in der Welt ähnlich agieren wie eine Zeitschrift oder ein Verlag. Es wäre großartig, wenn die „Black Image Corporation“ Zweigstellen in 20 Städten hätte und überall alte und neue Bilder schwarzer Identität hervorbringen und sichtbar machen würde.
Was bedeutet es für Sie, diese Bilder von selbstbewussten schwarzen Frauen in Europa zu zeigen?
Es ist fantastisch, dass sie in Europa weiterleben. Vielleicht hat das Thema Schwarz und Weiß oberflächlich gesehen nicht die gleiche Bedeutung wie in den Vereinigten Staaten. Aber ich sehe, dass der Gropius Bau sich gerade neu erfindet und dass in dieser Selbstfindung das Thema Ethnien eine Rolle spielt, auch die Komplexität, die damit verbunden ist, fühlt sich sehr gut an. Im Juni komme ich nach Berlin, um in der Ausstellung auch mit Berlinern in den Dialog zu kommen.