Sexismus im Alltag: Als wäre man ein Punkt auf einer Liste zum Abhaken
Aus aller Welt zieht es Menschen nach Berlin. Wer anders aussieht, muss trotzdem hin und wieder mit nervigen Blicken und dummen Sprüchen rechnen. Drei schwarze Frauen berichten aus ihrem Alltag.
Was ist für einige das Image der dunkelhäutigen Frau? Sie ist immer gut drauf, laut, stark und etwas verrückt. Manche Männer wollen sie deshalb ausprobieren, mal knacken. Als wäre man ein Punkt auf einer Liste zum Abhaken. In deren Köpfen sind wir eine Partnerin, die witzig und aufgedreht, immer in Stimmung ist und Lust auf Sex hat.
Ich habe mir nie die Frage gestellt, ob ich lieber mit einem weißen oder schwarzen Mann zusammen sein möchte. Ich kenne Frauen, für die es klar war, einen schwarzen Partner zu haben, weil sie sich von ihm besser verstanden fühlen. Ich weiß auch, was sie damit meinen, aber das Schönste ist doch, wenn man sich begegnet und nicht auf die Haare oder Hautfarbe achtet. Wenn es einfach passt.
Na, du hörst doch bestimmt R’n’B oder? Das ist so eine Frage, die mir das Gefühl gibt, anders zu wirken. Oder ob ich im Sommer auch schnell schwitzen würde? Ja, warum denn nicht? Dieses Gefühl, nicht hineinzupassen, wurde an der Schauspielschule manchmal verstärkt. Oft ist es so, dass auf der Bühne oder beim Film ein bestimmter Typ gebraucht wird: groß, klein, dick, dünn, hell, dunkel. Wenn sie jemanden wie mich suchen, geht es um eine Prostituierte, eine Frau aus einer Ghetto-Familie oder eine Einwanderin. So gut wie nie um eine normale Frau in Deutschland.
Meine Wurzeln sehe ich als Bereicherung an. Mein Vater kommt aus Sambia, meine Mutter aus Deutschland. Als ich fünf war, sind wir von Mannheim nach Friedrichshagen gezogen. An Afrika mag ich das Offene und Lebensfrohe, in Deutschland genieße ich das Zuverlässige und Ordentliche.
In meiner Jugend haben mich diese unterschiedlichen Lebensweisen verwirrt. Ich wusste nicht, wo ich hingehöre, habe meine Haare geglättet, verlängert und wollte europäisch aussehen. Ich hatte den Wunsch, nicht mehr angeguckt zu werden, nicht mehr aufzufallen. Nach Indien, Südafrika und durch Europa bin ich gereist. Und merkte: Meine Heimat ist Deutschland. Selbst wenn es schlimme Momente gab. Vor Jahren sah ich einen Mann auf der anderen Straßenseite, der seine Hand zu einer Pistole formte und so tat, als würde er mich erschießen.
Jane Chirwa, 24, Schauspielerin
"Er dachte, ich sei eine Prostituierte. Ich war geschockt."
Was mich nervt, sind diese Blicke. Gerade erst war ein Mann im Bus, der mich die ganze Zeit anstarrte, selbst als wir ausstiegen. Das ist noch krasser, wenn ich mit meiner Tochter unterwegs bin, weil sie keine schwarze Hautfarbe hat. Die Leute fragen mich, ob ich die Nanny sei. Nein, ich habe sie zur Welt gebracht! Diese unnötigen Kommentare – und Fragen. Du hast einen Job? Viele gehen davon aus, dass ich mein Geld als Sexarbeiterin oder Tänzerin verdiene.
In Spanien ging ich einmal mit zwei Freunden spazieren, hakte mich bei beiden unter. Ein Fremder kam auf uns zu, nahm meinen Arm und drückte einem meiner Freunde ein Bier in die Hand – im Austausch für mich. Er dachte, ich sei eine Prostituierte. Ich war geschockt. Dasselbe passierte mir in Berlin. Ich bin die Straße entlang gegangen, ein Mann öffnete die Haustür, wedelte mit Geldscheinen und fragte, ob ich gerade Zeit für ihn und seinen Freund habe.
Für schwarze Frauen wie mich ist es schwierig, jemanden kennenzulernen. Du weißt nie: Ist er jetzt an dir als Person interessiert – oder an deinem anderen Aussehen, deiner Hautfarbe? Oft bekomme ich E-Mails von Männern, die mir sagen: „Oh, die Bilder auf deinem Facebook-Profil sind wunderschön. Ich mag schwarze Frauen und würde dich gern treffen.“ Na, herzlichen Glückwunsch! Andere fragen: „Du bist nicht so sehr mein Typ, aber kennst du andere schwarze Frauen?“ Als wenn es ein Netzwerk gebe für schwarze Frauen, die deutsche Männer kennenlernen möchten.
Einige Männer sagen mir manchmal: Du wirkst leidenschaftlich! Dein Haar, dein Körper, toll! Ich weiß nie, ob das jetzt Komplimente oder nur Stereotype sind. Schon möglich, dass ich leidenschaftlich bin, aber doch nicht, weil ich schwarz bin, sondern ein Mensch. Ach, es gibt so viele Vorstellungen von der „schwarzen Mentalität“, die ich schon gehört habe: Du sagst, was du willst, du bewegst dich so gut, du bist so locker.
Enttäuscht hat mich die Geschichte mit einem deutschen Mann, den ich sehr mochte. Er war interessiert an schwarzer amerikanischer Kultur, aber nach einigen Wochen erzählte er Filmszenen mit einem bestimmten Akzent nach, mit einer völlig anderen Stimme. Er sagte „yo, yo, yo“, „yeah, baby, yeah“ und schließlich „you’re my nigga“. Das hat gereicht. Ich habe ihm gesagt, das Leben sei keine Porno-Show und kein Rap-Video.
Ein anderes Beispiel: Ich hatte eine Zeit lang einen Freund in Dänemark. Regelmäßig bin ich zu ihm geflogen. Die Frau bei der Einreise fragte schließlich, warum ich die Strecke so oft fliege. Ich erzählte ihr von unserer Fernbeziehung, sie machte mit ihren Fingern Anführungszeichen in der Luft und sagte: „Aha, dein Freund!“ Auch sie dachte, ich sei eine Sexarbeiterin.
Nicole Blake, 36, Projektmanagerin
"Lange fühlte ich mich verloren als schwarze Frau. "
Lange fühlte ich mich verloren als schwarze Frau. Ich bin in Neukaledonien geboren, einer Inselgruppe im Pazifischen Ozean, und habe in Paris studiert. Die Museen, die Theater, die Zeitungen, alles kam mir so fremd vor. Ich erinnere mich noch gut an Momente in der U-Bahn, wenn eine Frau ein farbiges Baby auf dem Arm hatte, wildfremde Leute auf sie zukamen und es, ohne zu fragen, streicheln wollten. Als wäre es ein Püppchen.
Mittlerweile lebe ich in Martinique. In Europa bin ich nur noch, um Freunde zu besuchen, aufzutreten oder Kurse zu geben. So wie vor ein paar Wochen in Berlin für den Workshop, „Farbige Frauen in einer weißen Welt“ im Ballhaus Naunynstraße. Danach habe ich eine Choreografie aufgeführt – eine Hommage an Sarah Baartman, die „Schwarze Venus“, die im 19. Jahrhundert aus Afrika nach Europa gebracht und als exotische Kuriosität vermarktet wurde. Sie stand damals nackt auf der Bühne, um das Publikum zu unterhalten. Mein Tanz sollte eine Verwandlung sein: von einem Objekt der Begierde hin zu einer selbstbestimmten, schwarzen Frau.
Sexismus existiert leider nach wie vor. Dass ich oder meine Arbeit nicht ernst genommen werden, das Gefühl habe ich oft. Ich erinnere mich an eine Frau in Paris, die mir sagte, mein Tanz sei zu sexy, zu wild. Oder an Männer, die schwarzen Frauen wie mir das Gefühl gaben, nicht so clever zu sein, nicht so viel wert wie französische oder deutsche Frauen. Sie taten so, als wären wir leicht zu haben, als müssten sie sich nicht großartig anstrengen, uns kennenzulernen.
Im Gegenteil: Wir müssten dankbar sein, einen weißen Mann abzubekommen. In ihrem Kopf schwirrte natürlich das Bild herum, sie könnten mit uns etwas ganz Neues und Spannendes ausprobieren, was weiße Frauen nicht mit sich machen ließen. Das ging recht weit, bis hin zu Unterwerfungsfantasien.
Damit sich das ändert, möchte ich in meiner Arbeit starke Frauen präsentieren, sei es, indem ich selbst auf der Bühne stehe oder andere dazu ermutige. Ich spüre ja Diskriminierung im Alltag. Zum Beispiel in Berlin. Im August 2013 ging ich durch Neukölln mit zwei weiteren schwarzen Frauen, und zwei junge Männer kamen uns entgegen. Sie machten „Uh, Uh, Ah, Ah“-Geräusche, als wären wir Affen im Zoo. Das sind nicht einfach nur dumme Jungenscherze.
Annabel Gueredrat, 40, Performerin
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