Deutscher Hip-Hop: Wer ist Tigon?
Wie und wo begann der deutsche Hip-Hop? Sékou Neblett will es mit seinem amüsanten Mockumentary „Blacktape“ klären.
Zu Beginn sieht alles konventionell aus: Interviewpartner wie Rapper Thomas D. von den Fantastischen Vier oder MTVModerator Steve Blame erinnern sich an die Anfänge des deutschen Hip-Hop. Dazwischen sind Archivaufnahmen zu sehen. Eine ganz normale Doku offenbar.
Doch dann besucht Regisseur Sékou Neblett mit seinem Kamerateam den früheren Berliner Labelbetreiber und heutigen Jounalisten Marcus Staiger, einst Entdecker von Rap-Größen wie Kool Savas, Sido und Eko Fresh. Er hat gerade Post bekommen – einen Umschlag mit einer Audiokassette und eine mysteriöse Facebook-Nachricht von einem gewissen Tigon. Staiger glaubt, dass der ebenfalls anwesende Hip-Hop-Journalist Falk Schacht dahinter stecken könnte. Doch der streitet das ab. Gemeinsam hören sich nun die beiden das Band an: „R-E-V-olution“ rappt eine verwaschene Männerstimme zu Old-School-Beats. Staiger nickt mit dem Kopf – und Neblett, der in den Neunzigern zur Stuttgarter Hip-Hop-Formation Freundeskreis gehörte, startet das Projekt seines Filmdebüts neu. Und begleitet nun Staiger und Schacht bei der Suche nach dem geheimnisvollen Rap-Pionier.
Aus der Dokumentation wird ein Mockumentary, ähnlich wie vor drei Jahren im Film „Fraktus“: Damals ging es um das gleichnamige Trio, das angeblich den Techno in Deutschland miterfunden hatte und an einem Comeback arbeitete. Tatsächlich kam sogar eine Platte heraus, unlängst erschien ein weiteres Werk. Ähnlich wie damals sprechen nun auch in „Blacktape“ reale Genre-Größen über den erfundenen Protagonisten, und relativ überzeugend spielen Staiger und Schacht ihren Part.
Die Spur zu Tigon führt zunächst nach Heidelberg, wo er 1986 in einer US-Kaserne eine Bühne gestürmt haben und auf deutsch gerappt haben soll. Man hielt ihn für einen Terroristen, Panik sei augebrochen und ein Mensch im Gedränge zu Tode gekommen. Das Team macht sogar eine vorgebliche Zeitzeugin ausfindig, die ein Video von dem Abend hat.
Nebenbei beleuchtet Sékou Neblett, der in Boston zur Welt kam, auf spannende Weise die Rolle der US Army als Kulturvermittlerin in Sachen Hip-Hop. Leider gibt es kaum weitere historische Schlenker. Dafür baut er spielerisch den ewigen Label-Konflikt zwischen Indies und Majors ein. Der stets leicht manisch wirkende Marcus Staiger im Antifa-T-Shirt steht für die Indie-Seite. Sein nun wieder aktueller Gegenspieler ist Neffi Temur von Universal Music. Dort gelang tatsächlich einigen der Rapper, die zuerst bei Staigers Plattenfirma Royal Bunker unter Vertrag gewesen waren, der Durchbruch. 2008 musste Staiger sein Label dichtmachen.
So unterhaltsam „Blacktape“ geraten ist, der Film ist vor allem etwas für intime Szenekenner. Alle anderen gedulden sich besser, bis jemand doch mal eine echte Doku über die Geschichte des deutschen Hip-Hop dreht.
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