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Cro mit Pandamaske
© Delia Baum

Rapper Cro über Frauen und mehr: „Ich wollte Taschendieb werden“

Am liebsten jagt Rapper Cro Frauen wie Rehe und ginge es nach ihm, würde Stuttgarts neue Bibliothek gesprengt und weniger geflucht. Ein Treffen mit Deutschlands erfolgreichstem Rapper.

Cro, 24, bürgerlich Carlo Waibel, Markenzeichen Pandamaske, ist gerade der erfolgreichste Rapper Deutschlands. Aus der Feder des Stuttgarters stammen die Hits „Easy“, „Du“ und zuletzt „Traum“. Am 13. November tritt er in der Max-Schmeling-Halle auf, das neue Album „Melodie“ erscheint am 6. Juni.

Cro, kürzlich bei Ihrer Album-Präsentation haben Sie gesagt: „Ich bin der schlechteste Erwachsene der Welt.“ Wieso?
Wenn ich das auf meine Abgechecktheit beziehe …

Ihre was?
Na ja, das Leben nicht im Griff zu haben. Wenn es sein muss, bin ich pünktlich am Start und treff’ die großen Entscheidungen. Wenn es um viel Geld geht mit großen Firmen. Da bin ich voll erwachsen! Aber ich bin nicht der Typ, der sich richtig auf den Stuhl setzt, ich sieze nicht alle. Ich bin noch locker.

Alle Erwachsenen sind Spießer?
Die meisten verlieren den Spaß, die Freiheit, finde ich. Die machen von neun bis fünf Uhr ihr Ding im Büro und gehen heim. Die verlieren das Spontane, einfach mal zu sagen, jetzt könnte ich da und da hinfahren. Geht halt nicht mit Kindern und Frau.

Sie wollen nie so werden.
Nee, kommt vielleicht irgendwann. Eines Tages wird das vielleicht normal.

Was möchten Sie sich bewahren?
Die Spontanität. Ich hab’ mal zu meiner Freundin gesagt, komm, wir gehen zum Flughafen und fahren los. Das war vor eineinhalb Jahren. Wir haben nichts gepackt, sind auf die Seychellen.

Sie sind im Moment Deutschlands erfolgreichster Rapper. Ihr Debüt „Raop“ stand 2012 wochenlang auf Platz eins in den Charts. Haben Sie inzwischen die erste Million verdient?
Die erste? Davon reden wir?

Noch vor der Veröffentlichung Ihres Debüts haben Sie sechsstellige Angebote von Plattenfirmen erhalten. Bei welcher Summe wurde Ihnen schwindlig?
500 000 Euro. Da war ich kurz: Wow. Aber davon geht ja so viel weg. Booking, Management, Steuern, am Ende bleiben nur 100 000 übrig. Dann habe ich es doch selber gemacht. Bei so einer großen Firma hätte ich mich nicht wohl gefühlt. Wir sitzen jetzt hier mit meinen Kumpels, bei einer großen Firma kommt eine Tante die ganze Zeit rein und fragt: „Geht’s noch?“ So was regt mich auf, lasst mich in Ruhe!

In einem Ihrer neuen Songs singen Sie darüber, dass Ihnen eigentlich alle geraten haben, nach Berlin zu gehen.
Ja, die Musikbranche hier ist doch so toll, hier hat jeder was mit Musik zu tun, geh’ nach Berlin! Für ein Wochenende ist es cool, aber mich nervt das so an, dass sich alle megageil fühlen hier.

Was fehlt Ihnen in der Stadt?
Freundschaften hier sind so business. Ich habe Leute kennengelernt, die immer nur was von mir haben wollten. Du kapitalistischer Bastard! dachte ich am Ende. Darauf habe ich einen Hass.

Würden Sie trotzdem gern etwas aus Berlin nach Stuttgart mitnehmen?
Die Lockerheit. Dass der Polizist einen nicht siezt, das finde ich cool. Die haben hier schon keinen Stock im Arsch, das ist in Stuttgart anders.

Der Musiker Kim Frank hat sich mal beschwert, dass ihm Berlin zu dreckig sei.
Nö, ich mag das, bei mir zu Hause ist es auch nicht sauber.

Stuttgarter sind bekannt für ihre Kehrwoche.
Die gibt’s gar nicht in meiner Welt. In unserer Familie hängt der Weihnachtsbaum verkehrt rum von der Decke. Da zieht niemand die Schuhe aus. Man sollte sie eher anlassen, sonst macht man sich die Socken schmutzig. Ich habe mit 18 in einer Wohnung mit 13 Leuten gewohnt. Da hatten wir eine Putzfrau. Es war schrecklich mit so vielen Menschen, jeder haust da, verschimmeltes Zeug im Kühlschrank, niemand fühlt sich zuständig. Nicht so geil! Aber dafür gab es mehrere Duschen, es war alles ausgelegt auf viele Menschen und Parties.

Kein Stress, niemand, der Ihnen reinredet – muss ja ein Traum für Sie gewesen sein.
Irgendwann wollte ich da raus, weil meine Zimmernachbarn ständig reinkamen und meinten: „Mach die Scheißmusik aus! Ich muss morgen früh Mathe schreiben!“ Dann bin ich wieder nach Hause zu meiner Mutter gezogen.

Wie erklären Sie uns überheblichen Berlinern die Faszination Ihrer Heimatstadt?
Im Winter ist sie potthässlich – wie jede Stadt. Im Sommer ist es voll schön, drumherum die Berge, alles grün, in der Mitte haben wir die Theo- und die Königsstraße, in der alle Clubs und Läden sind. Kommen die ersten Sonnenstrahlen raus, trifft sich jeder am Palast der Republik, einer Open-Air-Bar. Das mag ich an Stuttgart: Es ist nicht so anonym.

Jeder weiß also, wie Sie unter Ihrer Pandamaske, die Sie in der Öffentlichkeit tragen, aussehen?
Äh… die kennen mich ja, das sind Freunde.

Finden Sie es seltsam, dass Sie nun das Objekt der Aufmerksamkeit sind?
Ich kann ja abschalten, Maske weg, schon bin ich nicht mehr Cro.

Kommen Sie, inzwischen kennen einige Menschen Ihr Gesicht. Es gab sogar Bilder im Internet.
Es kommt immer darauf an, wo ich bin. In einem Club zu Hause gibt es viele Bekannte, da spricht sich das schnell rum, aber in Berlin erkennt mich keiner. Das kann ich an einer Hand abzählen, wenn da mal was passiert an einem Abend.

Und wenn Sie doch jemand erkennt?
Kleinen Mädchen sag’ ich: „Huch, erwischt.“ Bei den übelsten Schlägern eher: „Wer, was, warum? Cro? Kenn’ ich nicht.“

Okay, machen wir mal den Lokalcheck mit Ihnen.Welche Rapper aus Stuttgart finden Sie besser: Fanta Vier oder Freundeskreis?
Pff, jetzt geht’s los. Ich glaube, ich würde mich für Freundeskreis entscheiden. Die Fantas waren so „Hey, huh, relax“, der Freundeskreis war gechillter, näher dran an Stuttgart. „Halt dich an deiner Liebe fest“ …

... eine Coverversion eines Rio-Reiser-Songs ...
… und „A-N-N-A“ haben mir gut gefallen.

Warum er kurz mal seinen Kopf ablegt.

Hofbräu oder Wulle?
Kein Bier. Schmeckt nicht gut, zu bitter, und vom Rausch muss ich nur kotzen. Wenn ich feiern will, brauche ich was anderes, was schneller geht, und wovon ich nicht so viel trinken muss, vielleicht Wodka Red Bull.

Welche Gebäude würden Sie in Stuttgart wegsprengen lassen?
Warum das denn?

Sie haben doch gerade gesagt, die Stadt sei manchmal „potthässlich“.
Na gut. Mir gefällt die neue Bibliothek nicht. Die sieht wie ein leuchtender Würfel aus. Überhaupt die ganze Gegend neben dem Bahnhof, die würde ich wegsprengen.

Und stattdessen?
Wieder so alte Gebäude hinsetzen wie ein Schloss. Das waren noch Kunstwerke. Jetzt ist alles nur noch gerade – wie ein Kasten, in den man drei Löcher für Fenster reinschneidet.

Um den Bahnhofsneubau Stuttgart 21 entbrannte 2010 ein heftiger Streit. Ihre Meinung?
Mir war es lange egal. Was regt ihr euch auf? Lasst die doch einen Bahnhof bauen. Dann wurde unser Bürogebäude daneben abgerissen. Da saßen alle drin, Fanta Vier, Freundeskreis. Mit dem Skateboard bin ich durch die Gänge und habe mir Zucker bei den Massiven Tönen geholt. Das ist jetzt weg.

Hat die Auseinandersetzung etwas in Ihnen ausgelöst?
Nee. Das ging an mir vorbei.

Sie legen sich gerade auf den Tisch. Sind Sie gelangweilt?
Wollt’ nur kurz meinen Kopf ablegen, ich finde Stühle ohne Kopflehne so bescheuert und sinnlos.

Reden wir wieder über Hip-Hop: Wenn sich jemand in der Musikrichtung nicht auskennt, welche Platten würden Sie ihm nahelegen?
Dr. Dre „The Chronic 2001“ würde ich empfehlen. Da sind richtige Hits drauf, kennen sogar Sie. Das nervt nicht, ich kann das durchhören. Der hat extrem sauber produziert, reduziert, die Platte lebt von den krassen Drums und Melodien, die er in die Lieder reingebracht hat. Und „The College Dropout“ von Kanye West ist gut. Da ist das Feeling wichtig. Ein Album mit souligen Samples, er redet viel über Familie, Schule, gar nicht so über Gangster und Bling-Bling.

Was viele Rapper vor ihm getan haben. West hat das Geschichtenerzählen wieder in den Rap gebracht.
Genau, er war der Junge von nebenan, heute ist er bisschen extrem und sieht sich als Gott.

Gab es für Sie als Teenager vor zehn Jahren überhaupt eine Alternative zu Hip-Hop?
Nein, da gab’s nur Zeug, was es schon mal gab – Dylan, Beatles, Hendrix, Doors. Das habe ich auch in mich reingefressen.

Haben Sie als Junge alles verstanden auf den Rap-Platten?
Nee, das halbe Beginner-Album „Bambule“ von 1998 kenn ich heute noch nicht. Oder bei Eins Zwo …

… einer Hamburger Band, die zur selben Zeit bekannt wurde …
… da hab ich nicht alles kapiert. Irgendwann ist man 20 und versteht, ah, der nennt sich ja „Volker Racho“ und das ist witzig wegen „voll Karracho“.

Warum Cro die Schule geschmissen hat.

Mit 13 Jahren begannen Sie zu rappen. Wie haben Sie sich damals die Zukunft vorgestellt?
Nicht als Rapstar, ich dachte, ich mach halt Musik. Am Anfang war ich so völlig schlecht. Niemals dachte ich, dass ich gut werden könnte.

Können Sie sich an Ihre ersten Zeilen erinnern?
Der erste Text bestand aus ganz vielen Reimen: schwarz auf weiß, arm und reich, Quadrat und Kreis, darauf hatte ich einen ewig langen Text … Cros Mobiltelefon klingelt. Conny, ich ruf dich zurück, ich ruf dich zurüüüück, ciao!

In Ihrem neuen Song „Rennen“ beschweren Sie sich, dass alle dauernd ihre Handys benutzen. Sie gucken doch auch auf Facebook, wenn Sie Pause haben.
Wenn es nichts anderes zu gucken gibt, mach’ ich das halt. Ich kann es auch mal zehn Tage ohne Handy aushalten. Na gut, vielleicht einmal am Tag kurz draufschauen ...

Und wenn Sie dann gucken, wie viele unmoralische Angebote treffen pro Woche auf Facebook ein?
Keine direkten. Und, na ja, die will man doch gar nicht oder? Diejenigen, die sich vor den Jäger hinlegen und sagen: Drück ab!

Was wollen Sie?
Das Reh, das ständig wegrennt, das man richtig jagen muss.

Sie gehen durchs Leben, als gehöre Ihnen die Welt.
Nein! Es soll alles nur entspannt bleiben.

So wie in Ihren Liedern, da heißt es: „Baby, mach dir bitte nie mehr Sorgen um Geld“ und „Ab jetzt wird alles easy, denn du bist nicht mehr da.“ Aus Ihrem Umfeld heißt es, Sie seien entwaffnend süß …
… und was soll das bedeuten?

Dass man Ihnen alles verzeiht.
Stimmt, ja.

Hat Ihre dauerhaft gute Laune damit zu tun, dass Sie aus einer heilen Welt kommen?
Bestimmt, ich habe noch nie ’ne Megaklatsche bekommen, es hat alles funktioniert. Vom Kindie bis über die Schule, bis zur Ausbildung zum Mediengestalter bei der „Stuttgarter Zeitung“. Der Schulwechsel war nicht so cool, weil ich natürlich zu frech war.

Wurden Sie verprügelt?
Nee, warum? Ich war halt wieder der Gute-Laune-Idiot. Ich hab die Schule geschmissen, kurz bevor ich geflogen wäre. Weil ich so langsam war, die Lehrer mochten mich nicht. Warum kommst du denn immer zu spät?

Ihre Ausrede?
Die Straße war länger. Ich war ja nicht dumm, ich war nur faul und hatte keinen Bock. Am Ende ist alles cool geworden. Alles flog mir zu.

Fehlen Ihnen die Brüche in der Biografie, aus denen gerade Rapper ihre Themen schöpfen?
Wie? Welche Brüche?

Probleme in der Familie, Kleinkriminalität, Identitätskrisen.
Ich bin froh, dass bei mir alles glatt gelaufen ist, und darüber erzähle ich halt. Die anderen reden über die Scheiße, die sie erlebt haben, das ist auch gut. Lächerlich finde ich nur die, die in meinem Nachbardorf aufgewachsen sind und genauso reden wie 50 Cent: „Ich fick Schlampen!“

Die „taz“ schrieb über Ihre Musik „Rap ohne Penis“. Ein Lob?
Wer freut sich da nicht? Nein, Quatsch. Mir egal, sollen sie doch alle schreiben, was sie wollen. Ich bin halt ein bisschen netter.

Als der Berliner Musiker Sido die Maske abgenommen hat, wurde er vom Aggro- zum Pop-Rapper…
Wenn ich die Maske abnehme, werd ich böser!

Schwer zu glauben. Sie sagen über sich: „Ich bin ein Rapper, den man auch mal der Mutter vorstellen kann.“
Es wird so bleiben. Ich werde die Maske erst mal nicht abnehmen. Ist doch cool.

Bei Ihnen ist immer alles cool. Können Sie sich eigentlich über irgendwas ärgern?
Wenn Menschen dumm sind. Neulich hat jemand was kommentiert, er hat sich beschwert, warum ich immer alles klauen muss. Das war Rufmord. Du Idiot! Das ist Sampling! Seine blöden Vorbilder im Hip-Hop machen es genauso. Nur da ist es ihm egal.

Was wäre überhaupt Ihr Plan B gewesen?
Ich wollte Taschendieb werden. Stand so in meinem Poesiealbum. Ich habe den Film „Oliver Twist“ als Kind gesehen. Das ist so cool, wenn er durch die Stadt läuft, am Ende so einen Sack voller Uhren hat und keiner hat’s gemerkt. Später wollte ich Pilot werden. Toll, den ganzen Tag am Arbeitsplatz mit Sonne und Frauen.

Da reden Sie sich was ein.
Neee, da ist man doch mit zehn Stewardessen zwei Tage auf Ibiza. Die Ausbildung dauert aber lang und kostet 200 000 Euro. Ich habe mich informiert, ich sage euch, ich mache das noch, ich mach’ es wirklich.

Julia Prosinger, Ulf Lippitz

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