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Aufklärungsunwillig. Kardinal Woelki 2017 bei einer Masse in Tabgha am Nordufer des Sees Genezareth.
© AFP/Jack Guez

Missbrauch in der katholischen Kirche: Wer glaubt Kardinal Woelki jetzt noch?

Kölns Kardinal Woelki will offenbar noch immer keine Aufklärung. Jetzt steht er auch innerhalb seiner eigenen Kirche massiv unter Druck. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Das ist schon ein außergewöhnlicher Schritt. Zwei Priesterinitiativen mit insgesamt gut 60 Pfarrern machen im Erzbistum Köln, dem nach Rom bedeutendsten der katholischen Kirche weltweit, mobil. Weil sie die Aufarbeitung der Missbrauchsvorwürfe durch die „Bistumsleitung“ verärgert und verstört, genauer, wie die verschleppt wird.

Die kritischen Pfarrer verlangen, dass „persönliche Verantwortung“ übernommen wird – womit vor allen anderen der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki gemeint ist.

Der gerät immer weiter unter Druck und scheint gar nicht mehr herauszufinden aus dem Skandal, in dem auch ihm Vorwürfe gemacht werden. Vorwürfe, die für sich genommen schon Konsequenzen haben können; denn sollte es stimmen, dass Woelki den Fall eines mit ihm gut bekannten Pfarrers nicht nach Rom gemeldet hat, wie es vorgeschrieben ist – und sei es aus Mitleid mit dem damals schon Hochbetagten –, kann der Vatikan nicht darüber hinwegsehen.

Zur Bischofskongregation gehört der Münsteraner Bischof Felix Genn, der ankündigte, bei einer Anzeige gegen Woelki „alle kirchenrechtliche Schritte“ zu unternehmen.

Und es sind ja nicht nur die beiden Initiativen, die dem Kardinal zusetzen. Auch der Diözesanrat aus Klerikern und Laien hat kein Vertrauen mehr zu Woelki und ihm fast einstimmig die Gefolgschaft aufgekündigt.

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Allen gemein ist, dass sie nicht davon abgehen wollen, ein vom Erzbistum in Auftrag gegebenes Gutachten zum Missbrauch endlich lesen zu können. Es ist bisher nicht veröffentlicht. An „methodische Mängel“, die dagegen angeführt werden, glauben inzwischen immer weniger. Auch das Angebot der mit dem Gutachten beauftragten Kanzlei, die Ergebnisse allein auf ihre Website zu stellen und damit alle Haftungsrisiken zu übernehmen, wurde kürzlich ablehnt.

So wird der Druck gewiss nicht enden. Im Gegenteil, zu den Fällen des Missbrauchs wächst das Misstrauen. Und zwar dermaßen, dass im Erzbistum Köln die Zahl der Gläubigen, die die Kirche verlassen wollen, steigt und steigt. Die Online-Terminbuchungen beim Amtsgericht für Austritte haben sich von bis zu 650 pro Woche inzwischen fast verdoppelt. Bis April sind alle Termine vergeben.

Was bedeutet: Sein Ende als Hüter des Erzbistums rückt näher, weil Kardinal Woelki nicht mehr wird amtieren können, wenn das Vertrauen in ihn fehlt. Der Vatikan, ja der Papst in Person kann im Kampf gegen Missbrauch keine Zweifel an seiner Entschlossenheit gebrauchen. Ein Exempel im „Rom des Nordens“ könnte Franziskus angesichts der Bedeutung von Köln darum weltweit zupasskommen. Es wäre ein außergewöhnlicher Ausgang des Falles – aber was an ihm ist nicht außergewöhnlich?

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