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An Taten muss er seine Worte messen lassen. Kardinal Rainer Maria Woelki im Kölner Dom.
© Federico Gambarini / dpa

Missbrauch in der katholischen Kirche: Scheinheiligkeit wird nicht verziehen

Wohin mit der Bürde für die Gläubigen? Kölns Kardinal Woelki erklärt sich in der Christmette. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Weihnachten – ein Fest, das auch dazu da ist, um Vergebung zu bitten. Das hat der in mächtiger Kritik stehende Kölner Erzbischof, Kardinal Rainer Maria Woelki, getan. Er hat sich – im Rahmen der Christmette im Dom, aber an deren Ende – in einer persönlichen Erklärung an die Gläubigen gewandt, sprach davon, dass er ihnen zu Corona eine „Bürde“ hinzugefügt habe. Dafür bat er um Verzeihung.

Demut kommt vor dem Fall. Es geht, natürlich, um den Umgang mit Missbrauch im Bistum. Und darum, dass der Kardinal selbst ein Gutachten dazu bei einer Münchner Kanzlei in Auftrag gegeben hat, das vorliegt, aber nicht veröffentlicht wird. Rechtliche Einwände wurden geltend gemacht, denen Woelki folgt. Bisher.

Die Vorwürfe, die in der Kathedrale unausgesprochen blieben und doch nachhallen, beziehen den Kölner Erzbischof auch ganz persönlich mit ein. Dabei geht es um einen inzwischen gestorbenen Geistlichen, der in den 1970er-Jahren einem Kindergartenkind sexuelle Gewalt angetan haben soll. Er stand Woelki persönlich nahe. Der soll die Vorwürfe gegen den Pfarrer nicht wie vorgeschrieben an den Vatikan gemeldet haben.

Die Gemeinde hat sich deshalb bereits empört gemeldet und schriftlich Woelkis Rücktritt als Kardinal und Erzbischof gefordert; ebenso haben sich Betroffene öffentlich geäußert.

Bittere Wartezeit für die Betroffenen

Der Vatikan soll nun auf Fehlverhalten prüfen, das will Woelki selbst. Wie auch der Hamburger Erzbischof, Stefan Heße, den Vorwürfe eines falschen Umgangs mit Missbrauchsvorwürfen aus seiner Zeit als früherer Kölner Personalchef treffen. Bis dahin vergehen aber wohl noch Monate. Zu lange für die Betroffenen, zu lange für alle Gläubigen.

Weihnachten, ein Fest der Hoffnung: Vor zwei Jahren habe er sein Wort gegeben, sagte Kardinal Woelki in der Kirche, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln Vorgänge aufzuklären und auch Verantwortliche zu benennen. Dazu stehe er weiterhin. Dieses Wort bindet ihn, jetzt noch einmal.

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Deshalb schaut der Vatikan, ja die gesamte katholische Welt nach Köln, auf eine ihrer bedeutendsten Diözesen, das „Rom des Nordens“: weil Woelkis Umgang mit dem Thema Missbrauch nicht nur national Auswirkungen hat. Die vom Papst versprochene Transparenz und das Versprechen des Kardinals müssen eingehalten werden.

Rainer Maria Woelki darf auf Geduld nicht hoffen. Er muss alles offenlegen, alles veröffentlichen, so schnell wie möglich. Zumal ihn aus seinem Versprechen niemand entlassen kann. Er hat es, in seiner Welt, vor Gott gegeben, zu einer der Kirche heiligen Gelegenheit. Folgt dem Wort keine Tat, ist das scheinheilig. Scheinheiligkeit aber wird nicht verziehen.

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