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Unter Druck: Kardinal Rainer Maria Woelki, Erzbischof von Köln.
© dpa

„Woelki schadet der Kirche insgesamt“: Wie Berliner Katholiken die Vorwürfe gegen ihren Ex-Bischof bewerten

Der Kölner Kardinal steht für den Umgang mit Missbrauchsfällen in der Kritik. Was Berliner Katholiken über die Vorwürfe gegen ihren früheren Erzbischof denken.

Während der Christmette im Kölner Dom bat der Erzbischof am vergangenen Freitag um „Verzeihung“. Dass auch Betroffene und Gläubige der Kritik am Erzbistum und an seiner Person „im Zusammenhang mit dem Umgang des Gutachtens zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt“ mit ausgesetzt seien, tue ihm „aufrichtig und im Herzen leid“, sagte Rainer Maria Woelki. Die Weigerung des Kardinals, das unabhängige Gutachten einer Münchener Kanzlei zu veröffentlichen, bringt den Theologen zunehmend in Bedrängnis.

Recherchen des „Kölner Stadt-Anzeigers“ zufolge soll der Erzbischof in Deutschlands reichstem Bistum 2015 einen Priester, der in den 1970er Jahren mutmaßlich ein Kind missbrauchte, gedeckt haben. Das Erzbistum ging den Vorwürfen gegen den mittlerweile verstorbenen Priester nicht nach, die vorgeschriebene Meldung nach Rom unterblieb. Auch Rücktrittsforderungen gegen den Theologen gibt es schon.

Auch viele Berliner Katholiken ärgert das Verhalten des Kölner Kardinals. Denn Woelki hat eine enge Verbindung an die Spree: Von 2011 bis 2014 war er katholischer Erzbischof von Berlin. Als er als Nachfolger des verstorbenen Kardinals Sterzinsky nach Berlin kam, reagierten viele katholische Christen in Berlin, Brandenburg und Vorpommern zunächst erstaunt. Ein Theologe, der an der Universität des Opus Dei in Rom promoviert hat? Kann das gut gehen in Berlin?

Doch Woelki wurde an der Spree beliebter, als es viele seiner Vorgänger je waren. „Hier in Berlin hatte er sich als Lernender gezeigt, etwa was die Ökumene und den Dialog mit der jüdischen Gemeinde betrifft“, sagt der Vizepräsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Wolfgang Klose. Der Bankmanager lebt in Neukölln, ist dort Vorsitzender des Pfarrgemeinderates von St. Dominicus in der Gropiusstadt.

Er erinnert sich daran, dass Woelki Frauen in Führungspositionen des Erzbistums berief, etwa Berlins erste Caritas-Direktorin Ulrike Kostka. Und als Woelki 2012 zum Kardinal ernannt wurde, reiste sogar der damalige Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) zur Kardinalserhebung mit ihm in den Vatikan.

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„Er hat hier einige Menschen mit seinem Charme um die Finger gewickelt“, sagt der Rechtsanwalt Christoph Lehmann, der das Berliner Volksbegehren „Pro Reli“ organisiert hatte. „Er hinterließ den Eindruck, dass er anfängt, sich für die Ökumene zu interessieren.“

Wollte er sich den Karriereschritt nach Köln nicht verderben?

Heute sehen viele Berliner Katholiken ihren früheren Erzbischof mit anderen Augen. „Ich glaube inzwischen, dass er viele Positionen, die er verinnerlicht hatte, so bei uns nicht ausgeprägt gezeigt hat, sondern sehr abwartend war“, sagt Klose. „Ich vermute, dass Berlin für ihn nur eine Zwischenstufe vor dem Erzbistum Köln war und er sich die Option darauf nicht verderben wollte.“

Ähnlich sieht das Karlies Abmeier, Vorsitzende des Diözesanrats im Erzbistum Berlin. „Es ist eben ein Unterschied, ob Du zu Hause oder in der Fremde bist, wo erst einmal alle abwartend reagieren“, sagt Abmeier. „In Köln ist Woelki zu Hause unter seinesgleichen.“

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Woelki ist und war nie derjenige, für den man ihn halte oder gehalten habe, sagt der in Zehlendorf lebende Journalist Volker Resing, Chefredakteur der katholischen „Herder-Korrespondenz“. „Im Gegensatz zu vielen seiner Mitbrüder ist er eine komplexe und vielschichtige, vielleicht auch komplizierte Persönlichkeit – und genau deswegen hat er so gut nach Berlin gepasst.“ Er ließ sich nicht so leicht festlegen: Das hätten die Medien und die Politik gemocht. „In den Gemeinden war er nicht überall so beliebt, mit seiner mal schelmischen, mal distanzierten Art.“

„Wenn ich Fehler mache, muss ich dafür einstehen“

Das Agieren Woelkis in Köln dagegen nennt Resing „weniger glanzvoll“. Klose indes wird noch deutlicher: „Woelki schadet der Kirche als Ganzes“, sagt der ZdK-Vizepräsident. „Wie jeder in der Kirche, der sich nicht klar positioniert oder bekennt: Wenn ich Fehler mache, muss ich dafür einstehen.“

Lehmann bekennt offen, kein Verständnis mehr für den Kölner Erzbischof zu haben. „Die Art und Weise, wie man dort mit dem Thema sexueller Missbrauch umgeht, entsetzt die Katholiken nicht nur in Köln, sondern in ganz Deutschland“, sagt Lehmann. „Ich habe kein Verständnis dafür, dass wir alle immer in Mithaftung genommen werden für das, was da passiert.“

Gut fände er, dass der Münchner Erzbischof Reinhard Kardinal Marx Geld aus seinem Privatvermögen für eine Stiftung zugunsten von Missbrauchsopfern zur Verfügung stellt. „So eine Geste könnte doch von anderen Bischöfen auch kommen.“

Die Diözesanratsvorsitzende Karlies Abmeier hingegen ist froh darüber, dass Woelki in Berlin einen guten Nachfolger gefunden hat. „Wir haben den Heiner Koch, der ist anders, der ist kommunikativ“, sagt Abmeier. „Und ich hoffe sehr, dass er mit der schwierigen Materie in Köln nichts zu tun hat.“ Denn auch Heiner Koch sei ja einstmals Weihbischof in Köln gewesen.

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