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Bestens gelaunt. Angela Merkel mit der Bayreuther Bürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe und ihrem Mann Thomas Erbe.
© AFP/Christof Stache
Update

Eröffnung der Bayreuther Festspiele: Wagner-Diversity bei 41 Grad

Die Bayreuther Festspielsaison auf dem Grünen Hügel ist mit einem neuen "Tannhäuser" gestartet. Alles, was Sie zur Eröffnung wissen sollten.

41 Grad am Balkon des Festspielhauses, Demonstranten gegen den Klimakollaps am roten Teppich. Turbulent und voller Zitate beginnt die Video gespickte Inszenierung von Tobias Kratzer: Tannhäuser jagt mit einer Dragqueen und einem Wiedergänger von Blechtrommel-Oskar zum Grünen Hügel. Wagner-Diversity! Maestro Valery Gergiev im tiefen Bayreuther Orchestergraben kann mit diesem Spieltempo nicht immer mithalten. Zur ersten Pause erschallt Operntrash und der Ruf „zerstört die Ordnung aller Dinge“ am Festspiel-Teich. Ausgelasse Stimmung inmitten eines gewaltigen Polizeiaufgebots.

Mit dem "Tannhäuser" unter der Regie von Tobias Kratzer startet Bayreuth in eine neue Saison. Zur Eröffnung kam wie jedes Jahr die Polit-Prominenz Deutschlands, auch Kanzlerin Angela Merkel gab sich die Ehre. Bis zum 28. August dauert die Saison - und es gibt noch Tickets im Onlineshop zu kaufen!

Auch letztes Jahr war das vereinzelt möglich: Karten von heute auf morgen online zu kaufen. Jedenfalls für echte Wagner-Fans, die bereit sind, 200 Euro und mehr für Katharina Wagners "Tristan"-Inszenierung (nicht sonderlich beliebt) und Uwe-Eric Laufenbergs "Parsifal" (ebenfalls unbeliebt, obwohl kurzweilig) auszugeben.

Auch für Barrie Koskys großartige "Meistersinger", die 2017 Premiere feierten, sind online vereinzelt Karten zu haben, am Donnerstagmittag gab's eine Einzelkarte sogar für diesen Samstag. Oder es geht auch umgekehrt extrem günstig, für risikofreudig Kurzentschlossene und Regietheater-Muffel: Die berühmten Galerieplätze für nur 10 Euro zzgl. Gebühren werden neuerdings an jedem Aufführungstag ab 14 Uhr im Kartenbüro angeboten.

Die "Tannhäuser"-Inszenierung von Tobias Kratzer ist bunt und voller Zitate.
Die "Tannhäuser"-Inszenierung von Tobias Kratzer ist bunt und voller Zitate.
© Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath

Leider nur da, nicht online. Achtung: Es handelt sich um reine Hörplätze. Klanggenuss wird garantiert, aber was auf der Bühne geschieht, muss man sich in der Pause erzählen lassen.

Der Altbundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) kommt mit seiner Frau Soyeon Kim zum Auftakt der Festspiele.
Der Altbundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) kommt mit seiner Frau Soyeon Kim zum Auftakt der Festspiele.
© dpa/Tobias Hase

Nun zur Hochkultur: Drei Künstler feiern bei der diesjährigen Eröffnung ihr Bayreuth-Debüt, neben Regisseur Tobias Kratzer sind das der russsiche Dirigent Valery Gergiev und die 32-jährige norwegische Sopranistin Lise Davidsen als Elisabeth. Davidsen hat die Partie erst kürzlich am Opernhaus Zürich und an der Bayerischen Staatsoper in München gesungen. Und im August wird Anna Netrebko ihr lange erwartetes Bayreuth-Debüt im „Tannhäuser“ geben.

Schick in schwarz. Der Bundesminister für Gesundheit Jens Spahn (CDU, rechts) und sein Ehepartner Daniel Funke.
Schick in schwarz. Der Bundesminister für Gesundheit Jens Spahn (CDU, rechts) und sein Ehepartner Daniel Funke.
© dpa/Tobias Hase

Kein Debüt gibt die Hitze: Zum Auftakt heute um 16 Uhr werden wieder tropische Temperaturen im nicht klimatisierten Festspielhaus erwartet, zudem müssen die prominenten Gästen aus Politik und Kultur wieder mit verschärften Sicherheitsmaßnahmen wie Taschen- und Personalkontrollen rechnen. Auf der Gästeliste stehen Kanzlerin Angela Merkel, Kulturstaatsministerin Monika Grütters, Gesundheitsminister Jens Spahn, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, Franz Herzog von Bayern, Gloria Fürstin von Thurn und Taxis sowie die Schauspieler Michaela May und Udo Wachtveitl.

Mit Fächer gegen die Bayreuther Hitze. Ilse Aigner (CSU), Präsidentin des Bayerischen Landtags bei der Premiere.
Mit Fächer gegen die Bayreuther Hitze. Ilse Aigner (CSU), Präsidentin des Bayerischen Landtags bei der Premiere.
© dpa/Daniel Karmann

Regisseur Kratzer, der bereits vier der zehn Wagner-Opern inszeniert hat, verspricht eine „teilweise witzige“ Version des „Tannhäuser“ und hat bisher nur soviel verraten, dass er den Stoff als Kontroverse zwischen Hochkultur und Avantgarde anlegt. Bayreuth selbst nennt Kratzer in Anlehnung an „Jim Knopf“ einen „Scheinriesen“. Im BR-Interview erklärte er: „Je weiter man davon entfernt ist, desto größer und mächtiger erscheint es.“

Angela Merkel lief mit dem Bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) und seiner Frau, Karin Baumüller-Söder, über den roten Teppich.
Angela Merkel lief mit dem Bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) und seiner Frau, Karin Baumüller-Söder, über den roten Teppich.
© dpa/Daniel Karmann

Kratzer lässt sich davon aber offenbar nicht einschüchtern: In der ersten Pause wird seine Inszenierung das Festspielhaus verlassen. Das gab es noch nie in Bayreuth: Eine schwarze Dragqueen singt am Teich im Park. Die Titelrolle im Saal singt Stephen Gould.

Im Kino läuft "Tannhäuser" zeitversetzt um zwei Stunden, voll klimatisiert

Wie schon in den Vorjahren wird die Premiere live vom Bayerischen Rundfunk übertragen und ist um zwei Stunden zeitversetzt in 100 Kinos in Deutschland zu sehen. In Berlin im Cinemaxx am Potsdamer Platz - voll klimatisiert.

Bereits am Mittwoch hatte Festspiel-Chefin Katharina Wagner das „Ring“-Team für 2020 bekanntgegeben, mit dem 29-jährigen Regisseur Valentin Schwarz und dem 39-jährigen finnischen Dirigenten Pietari Inkinen unterziehen sich die Festspiele einer Verjüngunsgkur.

Auch die Maus ist in Bayreuth unterwegs. Mit ihrem Erfinder Armin Maiwald posiert sie vor dem Festspielhaus.
Auch die Maus ist in Bayreuth unterwegs. Mit ihrem Erfinder Armin Maiwald posiert sie vor dem Festspielhaus.
© AFP/Christof Stache

Bei der traditionellen Pressekonferenz am Vortag des Festspiele-Starts bestätigte sie, dass wie vielfach vermutet tatsächlich Gespräche mit der Berliner Regisseurin Tatjana Gürbaca gegeben habe, man sich wegen der Bayreuther Probenbedingungen jedoch nicht habe einigen können.

Tobias Kratzer, Regisseur der "Tannhäuser"-Eröffnungspremiere nennt Bayreuth einen Scheinriesen. Je näher man kommt, desto kleiner wird's.
Tobias Kratzer, Regisseur der "Tannhäuser"-Eröffnungspremiere nennt Bayreuth einen Scheinriesen. Je näher man kommt, desto kleiner wird's.
© Doris Spiekermann-Klaas

Anders als der Überraschungskandidat Schwarz, der noch nie eine Wagner-Oper inszeniert hat und bisher lediglich an kleineren Häusern in Cottbus, Karlsruhe oder Graz inszenierte, verfügt Gürbaca über reichlich Wagner-Erfahrung in größeren Häuser. Sie hat "Lohengrin", den "Fliegenden Holländer" und "Parsifal" inszeniert und im Theater an der Wien 2017 ein frei zusammengebrautes "Ring"-Kompott angerichtet. Gürbaca wäre nach Katharina Wagner die erste Regie führende Frau in der Geschichte Bayreuths gewesen, die nicht mit dem Komponisten verwandt ist. (mit dpa)

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