Kolumne Trump und ich (Finale): Vereinigte Staaten des Bösen
Seit der Amtseinführung des neuen Präsidenten berichtet unsere New Yorker Autorin von ihrem Alltag mit Trump. Zum Finale blickt sie aus der Ferne auf die USA.
Auch in diesem Jahr bin ich Ende April wieder nach Berlin gekommen, weil ich im Sommersemester an der Humboldt-Universität unterrichte. Als ich in den Seminarraum kam und ein paar Studenten aus den früheren Semestern traf, rief einer von ihnen: „Oh, unser Flüchtling aus Trump-Land ist da.“ Die Klasse lachte, ich auch, irgendwie.
Ich bin Kummer gewöhnt: Als ich in den 80er und 90er Jahren auf eher linksgerichteten Konferenzen in Europa Vorträge hielt, musste ich damit klarkommen, dass ich für eben jene amerikanische Außenpolitik getadelt wurde, die ich selber kritisierte. Damals fing ich an, mich als Repräsentantin der Vereinigten Staaten des Bösen vorzustellen, in der Hoffnung, für bessere Stimmung zu sorgen. Manchmal funktionierte es. In den Jahren von George W. stellte ich mich dann als Bewohnerin dieses kleinen Dorfs namens Manhattan vor, das anders tickt als der Rest Amerikas. Jetzt, in der Trump-Ära, sind die Deutschen nicht mehr böse auf mich. Sie schauen mich eher an wie einen herrenlosen Hund, dem sie Asyl gewähren.
Bei den Franzosen ist das anders. Nach Macrons Sieg über Le Pen bekam ich eine stolze Mail von einem französischen Freund, der sich meiner Anerkennung vergewissern wollte, weil Frankreich die extreme Rechte in die Schranken gewiesen habe, während Amerika ... nun ja, Trump hat. Warum piesacken mich alle so? Ich fühlte mich wieder ganz schön bedrängt, bis ein Berliner Freund mir einen Link zur Glosse von Andy Borowitz im „New Yorker“ schickte, in der es heißt, die Franzosen hätten Macron vor allem deshalb gewählt, um sich Amerika überlegen fühlen zu können. „Vieles stand auf dem Spiel“, sagt Borowitz’ imaginärer Macron-Wähler, „die Zukunft der liberalen Tradition, unsere Demokratie schlechthin, aber der größte Verlust hätte das Recht betroffen, auf die Amerikaner herabblicken zu dürfen. Ich schickte das meinem französischen Freund – auf dass er sich seiner Vorurteile vergewissert fühlen möge.
Einfach mal Berlinerin sein
Dann kam eine Mail von einer Studentin aus New York, sie hat einen brillanten Master-Abschluss und wurde in diverse renommierte Doktorandenprogramme aufgenommen. Sie kommt aus China, was die Sache doppelt beeindruckend macht; nicht viele Amerikaner bekommen solche Top-Promotionsangebote. Aber sie schlägt sie nun alle aus und geht nach China zurück. „Wegen der Sache mit Trump“, schreibt sie. Ihr Visum ist nicht das Problem, sie meint die ganze Richtung der US-Politik und des Landes.
Es sind die großen kleinen Veränderungen, an denen man merkt, was los ist.
Ich brauche dringend eine Pause von meinem Job als unfreiwillige Repräsentantin der USA. Ich bleibe jetzt ein paar Monate in Deutschland. Am besten, ich mache bald irgendwo in Europa ein paar Tage Urlaub und stelle mich da einfach als Berlinerin vor.
Marcia Pally lehrt an der New York University, der Fordham University und im Sommer an der Berliner Humboldt-Universität. Zuletzt erschien von ihr: „Commonwealth and Covenant: Economics, Politics, and Theologies of Relationality“ (Eerdmans). – Übersetzung: Christiane Peitz
Marcia Pally