Philosophischer Manga: Überirdische Begegnungen zwischen Leben und Tod
Yuki Urushibara setzt sich in ihren Mangas mit dem Rätsel der Existenz auseinander. Nun erscheint ihre urbane Fantasy-Serie „Mushishi“ erstmals auf Deutsch.
Ginko ist ein wandernder Experte für die merkwürdigen Phänomene, die von Mushi, gespenstischen Wesen zwischen Leben und Tod, hervorgerufen werden. Mushishi wie Ginko sind im Einklang mit der Natur und erfahren von ihr, wo sich außergewöhnliche Ereignisse zutragen.
Seien es ein einsamer Junge mit einem beachtenswerten Talent, ein Mann mit Vorahnungen, die Realität werden, ein lichtempfindliches Mädchen, ein gehörnter Junge oder die Bewohner eines ganzen Dorfes, die plötzlich ihr Gehör verlieren. Ginko versucht, zu helfen.
Die Verursacher der mysteriösen Zwischenfälle, die Mushi, sind weder gut noch böse, obwohl sie oft unangenehme Begleiterscheinungen mit sich bringen. Sie sind weder Pflanze noch Tier und mit den üblichen fünf Sinnen nicht zu erspüren. Die Fähigkeit diese Wesen wahrzunehmen, schlummert in jedem, muss aber trainiert werden. Ihre Existenz ist vage. Sie sind laut Ginko nahe an der Essenz allen Lebens.
In der Tradition japanischer Horror-Mangas
Yuki Urushibara stellt in ihrer Mangareihe „Mushishi“ (Manga Cult, bisl. 2 Bände, je 227 S., je 15 €) die organisch anmutenden Mushi in Tradition japanischer Horror-Mangas und mit Anleihen aus dem Body-Horror als parasitäre Lebewesen dar, die sowohl in Weichtierform, als Flüssigkeit und sogar als lebendiger, wandernder Sumpf daherkommen.
Mit salopper Akkuratesse zeichnet die Künstlerin in flotter Handarbeit mit Schraffuren und einfachen Rasterfolienmustern ihre düsteren Bilder. Das dichte Layout, das klare Charakterdesign, die an das Japan vergangener Zeiten erinnernden Kulissen und die historisch anmutende Ausstattung verleihen dem Manga eine eindringliche, melancholische Atmosphäre.
Mushishi Ginko durchstreift eine glaubwürdig inszenierte Welt. Der vertrauenswürdige Hauptcharakter stellt eine unaufdringliche Verbindung zwischen den Geschichten her. Die Erzählweise ist bemerkenswert bedächtig. Yuki Urushibara bettet in die Tiefe ihrer Storys philosophische Betrachtungen zur Lebensweise der Menschen ein, die sich nur dem eröffnen, der sich ganz auf ihre poetische Schöpfung einlässt.
Verfilmt vom „Akira“-Regisseur
„Mushishi“ war in Japan sehr erfolgreich. Die insgesamt zehn Bände umfassende Reihe erhielt 2003 den Exzellenz-Preis des Japan Media Art Festivals und wurde 2006 in der allgemeinen Kategorie mit dem anerkannten Kodansha-Manga-Preis geehrt.
Zudem nahm sich niemand Geringerer als der Regisseur des Anime-Meilensteins „Akira“, Katsuhiro Otomo, des Stoffes an und schuf ein eindrucksvolles Realfilm-Kinoerlebnis, das sich allerdings nur für Kenner des Stoffes eignet. Der Regie-Veteran verknüpfte in seiner Adaption Story-Bausteine aus verschiedenen Bände zu einem komplizierten Gesamtkunstwerk, das hierzulande 2007 im Rahmen des „Fantasy Filmfests“ zu sehen war.
Etwas vorsichtiger ging Hiroshi Nagahama mit der feinsinnigen Erzählung um, der die Manga-Serie für Studio Artland fast zeitgleich zu Otomos Realfilmprojekt in eine Anime-TV-Serie umsetzte. Der Anime-Regisseur, der aktuell an einer Adaption des Horror-Mangas „Uzumaki“ arbeitet, bewahrte bei „Mushishi“ die melancholische Atmosphäre und gemächliche Episodenhaftigkeit.
Es blieb allerdings nicht bei der ersten Staffel, die insgesamt 26 Kapitel des Mangas abbildet. Es folgten zwei Specials, eine zweite Staffel sowie der abschließende Film „Mushishi: Bell Droplets“.
Mit den ersten beiden Bänden des Mangas ist nun ein Teil des Medienuniversums hierzulande auf deutsch erhältlich. Diejenigen, die ruhige, malerische Titel wie „Spirit of Wonder“ von Kenji Tsuruta schätzen, sollten die poetische Auseinandersetzung Yuki Urushibaras mit den Rätseln der Natur, des Lebens sowie den sichtbaren und nicht sichtbaren Dingen nicht verpassen.
Sabine Scholz
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