Lollapalooza Festival in Berlin: Selfies mit Musik
Mit dem erstmals in Europa stattfindenden Lollapalooza Festival hat der Flughafen Tempelhof sein Comeback als Konzert-Location.
Diesen Sommer war Berlin von der Popfestivalitis befallen. Ein Auszug aus der langen Symptomliste: Berlin Festival, Pop-Kultur, By The Lake, Trümmern und Träumen, Forever Now, Pure&Crafted. Es waren auffällig viele – mitunter auch obskure – Neugründungen dabei, und man muss keine prophetischen Fähigkeiten besitzen, um vorherzusagen, dass einige der kleineren Festivals einmalige Erscheinungen bleiben werden. Eine Premiere mit Perspektive steht allerdings am Wochenende auf dem Flughafen Tempelhof an: Das Lollapalooza Festival, ein Import aus den USA. Gegründet 1991 vom Sänger Perry Farrell, der die Sause als Abschiedstour seiner Band Jane’s Addiction geplant hatte, ist es inzwischen zu einer Franchise mit Filialen in Chile, Argentinien und Brasilien geworden. In Berlin findet die erste europäische Ausgabe statt.
Es ist gleichzeitig der Abschluss der Festivalsaison und das Comeback von Tempelhof als Popfestival-Location. Nach dem Wegzug des Berlin Festivals war ein Jahr Ruhe, jetzt werden wieder zwei große und zwei kleinere Bühnen auf dem Gelände aufgebaut. Dazu kommt allerlei Entertainment-Klimbim mit Kunst, Mode und Kinderbespaßung – wie das heute auf Großfestivals zu sein hat. Ein paar Bands auf eine Bühne zu stellen, dazu Bier- und Wurststände – damit ist es längst nicht mehr getan. Die Besucher sind selbst die Stars. Sie sollen ein Rundum-Spaß-Paket für ihr Eintrittsgeld bekommen und die perfekte Kulisse für ihre Selfies.
Auf der Bühne stehen alte Bekannte - fast alle sind weiße Männer
Welche Musik dazu gespielt wird, scheint fast nebensächlich geworden zu sein. Und in Berlin kommen die meisten Bands ohnehin vorbei. So wird auch das Lollapalooza-Line- up von alten Bekannten wie Deichkind, Seeed, Muse, Beatsteaks und den Libertines dominiert. Dass diese Liste fast komplett aus weißen Männern besteht, ist kein Zufall – es spiegelt vielmehr den Rest der knapp 50 auftretenden Künstler. Das lässt dieses als Alternative-Rock-Festival gestartete Event, das etymologisch auf Synonyme für großartig und ungewöhnlich zurückgeht, ziemlich altbacken wirken.
Beim diesjährigen Lollapalooza in Chicago war zumindest die obere Hälfte des Line-ups deutlich diverser. In Berlin stört die Monokultur offenbar nur die wenigsten: Beide Festivaltage sind bereits ausverkauft. Trotzdem wird es kein unbeschwertes Konzertwochenende werden, sind doch zwei Flughafenhangars als Flüchtlingsunterkunft im Gespräch. Viele Fans werden an die Flüchtlinge denken, die hier campieren könnten. Deren Selfies aus Tempelhof werden wahrscheinlich ein bisschen anders aussehen.
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