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Perry Farrell
© Universal

Rock und Pop: Perry Farrells Flug auf der Discokugel

Wie Rock-Visionär Perry Farrell mit "Satellite Party" die Welt retten will.

Wenn man alles hinter sich hat, muss man wieder von vorne anfangen. Im Weltall, wo wabernde Synthie-Klänge einen langsam sich drehenden Sternenhimmel malen. Aus der Ferne tönt orientalischer Gesang. Dann bricht mit einem Mal ein schillerndes Flugobjekt ins Bild, und eine Discokugel bricht zu einem Blitzflug durch die Popgeschichte auf. Mächtig treibt der metallene Bass von New-Order-Mitglied Peter Hook voran, eine Western-Gitarre schlägt kühle Akkorde über den strammen Achtziger- Beat, und Perry Farrell singt mit heiserer Stimme: „I’m a comin’ in on lust and resurgance / With all my love I overflow the river Nile“. Lebenslust, Wiederauferstehung und eine Liebeskraft, so groß, dass der Nil über die Ufer tritt.

Den ungenierten Bombast des Stücks „Wish Upon A Dog Star“ hätte der einstigen Galionsfigur des Alternative Rock vor 20 Jahren keiner abgenommen. Als sich die Musikwelt noch in klare Szenen einteilen ließ, galt Perry Farrells Band Jane’s Addiction als Gegenentwurf zu kommerzieller Gitarrenmusik. „Ich strebe immer nach etwas Höherem, das fast über mein Begriffsvermögen hinausgeht“, sagt Farrell, von dem es heißt, er habe keine Ideen, sondern Visionen.

Das neue Projekt "Satellite Party" mit vielen prominenten Gästen

Farrells neuestes Projekt „Satellite Party“, mit dem er jetzt auf Deutschlandtour kommt, feiert die Auflösung aller Genre- und Peinlichkeitsgrenzen. Mit Ex-Extreme-Gitarrist Nuno Bettencourt holte sich Farrell einen Vertreter des glitzernden Gniedel-Rocks ins Boot, den er einst verabscheut hatte; mit Fergie von den Black Eyed Peas macht eine Diva der Konsumkultur bei ihm mit. Neben vielen weiteren Gästen haben auch Flea und John Frusciante von den Red Hot Chili Peppers mitgewirkt und klingen so frisch wie schon lange nicht mehr.

Das Album „Ultra Payloaded“ ist ein Hybrid aus Funk, Rock, Elektro, Gospel und Weltmusik, getragen vom naiven Glauben an die Kraft der Melodien. Während der Großteil heute erfolgreicher Gitarrenbands sich im Zitat eingerichtet hat, geht Farrell die Unmöglichkeit, Rockmusik ohne historische Referenzen zu machen, offensiver an. Seine Strategie: die liebevolle Umarmung. Dabei ist es nicht leicht, zwischen Witz, Hybris und kindlicher Unschuld zu unterscheiden, wenn der 48- Jährige seinen von lebenslangem Surfen und vom Drogenkonsum ausgemergelten Leib grinsend in androgyne Schwingungen versetzt, gekleidet in schillernde Anzüge, die ihm die Anmutung eines Varieté-Impresarios verleihen. Sein Künstlername spielt mit der Bezeichnung „peripheral“, was sich mit „außenstehend“ übersetzen lässt, und so weit draußen wie jetzt schien er tatsächlich noch nie: Er ruft zur Gründung der „Solutionists“ auf, einer Bewegung, die sich über Handys und Internet zu spontanen Flash Mobs zusammenfindet, um für die ökologische Wende einzutreten.

Sind Pop-Helden Engeln am nächsten?

Aus der Satelliten-Perspektive gleicht die Erde einem Spielplatz. Perry Farrell hat schon oft erfolgreich Party und Politik verbunden. Mit dem alternativen Lollapalooza-Festival prägte er die US-Jugendkultur der Neunziger. Mit den Einnahmen aus dem Musikspektakel verhinderte er Rodungen im Regenwald und befreite Sklaven im Sudan. Anfang dieses Jahres sprach Farrell mit Tony Blair über den Klimawandel und schenkte ihm ein Stück von „Ultra Payloaded“, das um eine hinterlassene Aufnahme Jim Morrisons herumgebaut ist. „I am the woman in the window/ See the children playing“, kommt die Stimme des Doors-Sängers aus dem Himmel, umspielt von süßlichen Streichern. Die Frau sei ein Engel, so Farrell, der sich um das Schicksal der Erde sorge. Wer weiß, vielleicht kommen Pop-Helden wie Farrell Engeln am nächsten.

Satellite Party spielen am 18. Juni im Berliner Columbiaclub und am 22. Juni auf dem Hurricane Festival in Scheeßel.

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