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Eine Institution. Das Berlin Festival gibt es schon seit zehn Jahren, vom ehemaligen Flughafen Tempelhof (im Bild) ist man mittlerweile an die Arena in Treptow weiter gezogen.
© dpa

Festival-Sommer in Berlin: Saison ist 365 Tage im Jahr

Bald startet wieder der Musik-Sommer in Berlin: Pop-Kultur, Berlin Festival und Lollapalooza sollen das Open-Air-Feeling perfekt machen. Dabei macht die Stadt die musikalischen Großevents zu regelrechten Erlebnisparks.

Das Berghain muss es sein. Für Katja Lucker war von Anfang an klar, wo das Festival Pop-Kultur als Nachfolger der Berlin Music Week stattfinden sollte. „Der Club ist ein Sehnsuchtsort, und was wir machen, soll eben auch eine besondere Philosophie haben.“ Wenn sich Berlins Popbeauftragte an die Music Week erinnert, verzieht sie gequält ihr Gesicht. Alte Männer bei trockenen Podiumsdiskussionen, wild über die Stadt verstreute Konzerte, ein schwammiges Konzept. Mit dem Pop-Kultur-Festival will die Musicboard-Chefin nun alles besser machen.

Vom 26. bis zum 28. August werden an sieben Orten auf dem Berghain-Gelände Konzerte, Diskussionen, Lesungen und Workshops für rund dreieinhalb tausend Musik-Fans, Künstler und Branchenleute stattfinden. Das Line-Up verspricht Künstler wie die Schweizer Songwriterin Sophie Hunger oder den Sound-Tüftler Matthew Herbert.

Ende 2013 entschied der Senat, die Organisation der Berlin Music Week der Kulturprojekte Berlin GmbH zu entziehen und dem frisch gegründeten Musicboard zu übertragen. Dort wurde kurzer Prozess gemacht. „Die Music Week passte nicht mehr zu dem, was wir heute unter Popmusik verstehen“, sagt Lucker. Die richtigen Ideen verspricht sie sich von Martin Hossbach und Christian Morin, die sie als Kuratoren mit ins Boot holte. Während Hossbach unter anderem bereits für das Festival „Foreign Affairs“ der Berliner Festspiele tätig war, hat Morin durch seine Konzertagentur „Headquarter“ gute Verbindungen in die Musikszene.

Musik allein reicht den Pop-Kultur-Machern nicht mehr aus

Und nun also dieses Festival im Berghain, dem Techno-Clubtempel der Republik – allein das ist eine Premiere. Zwar fanden hier auch schon Konzerte und Staatsballett-Aufführungen statt, ein derartiges Programm gab es innerhalb der dicken graubraunen Mauern bisher aber nicht. Von einem „Berghain-Festival“ könne dennoch keine Rede sein, entgegnet Martin Hossbach. Die Veranstaltung ist nicht dauerhaft an den Ort gebunden, außerdem sei bei den rund 40 Konzerten auch Musik zu hören, die man hier sonst eher nicht erwarten würde, etwa Folk oder türkische Psychedelik.

Musik allein reicht den Pop-Kultur-Machern aber nicht aus. Bei Gesprächsrunden werden sich Musiker untereinander und mit Wissenschaftlern, Designern und bildenden Künstlern austauschen. „Welche Rolle spielen Depressionen in der Popmusik? Was bewirkt Techno im Hirn? Das sind mögliche Themen“, sagt Katja Lucker. Eine Inspirationsquelle soll das Festival eben auch sein. „Berlin ist anders, hier werden Dinge anders besprochen. So werden wir in der Welt wahrgenommen.“ Deshalb glauben Lucker und Hossbach nicht mehr an das starre Konzept des Branchentreffs, wie es bei der Music Week Tradition hatte. Diese fand ab 2010 in Kreuzberg und Friedrichshain statt und beerbte die Kölner Popkomm. „Die großen Geschäfte werden woanders gemacht“, sagt Hossbach. Mit dem „Discogarten“ hinter dem Berghain wird es trotzdem einen exklusiven Bereich für Künstler, Manager und Agenten geben. Musiker, die vom großen Plattendeal träumen, bekommen Workshops und Vorträge in den benachbarten Werkstätten des Bühnenservice Berlin geboten.

Deko, Lichter, Cocktails - und guter Wein

Auch Fruzsina Szép bezweifelt, dass man nur noch mit Musik allein ein Festival bestreiten kann, „es muss ein Erlebnis sein.“ Die Dekoration, Lichter, Cocktails und guter Wein – all das sei heute fast so wichtig wie die Auswahl der Bands und DJs. Stundenlang im Schlamm vor der Bühne stehen mit nichts als Dosenbier im Bauch, das war einmal. Die zunehmende Ästhetisierung, die verfeinerte Individualisierung, sie machen auch vor den Musikfestivals, den Freiheitsinseln der sechziger Jahre, keinen Halt.

Ehemals zuständig für das Programm des Budapester Sziget-Festivals, verantwortet Szép seit Oktober die nicht-musikalischen Teile beim neuen Lollapalooza-Festival. Die 1991 in den USA geborene Veranstaltung hat bereits drei Ableger in Südamerika, für die erste europäische Ausgabe wollten die Macher Berlin. „Weil Berlin als die Stadt von morgen angesehen wird“, sagt der künstlerische Leiter Stefan Lehmkuhl. Die hiesige Version soll keine Kopie der vorhandenen Lollapaloozas werden. Deshalb wurden zu international bekannten Größen wie Fatboy Slim und The Libertines auch gestandene Berliner Bands wie Seeed und die Beatsteaks gebucht. „Wir basteln außerdem an berlinspezifischen Programmpunkten“, verrät Fruzsina Szép. Und sie ist sich sicher: „Ein internationales Festival landet auf dem ehemals internationalen Flughafen – das passt doch.“

Die Luft der großen, weiten Musikwelt soll auch durch das Berghain ziehen. Vor wenigen Wochen ist Pop-Kultur-Kurator Christian Morin zum South by Southwest geflogen – das texanische Festival gilt als globale Talentschau. Martin Hossbach und Katja Lucker besuchen viele Konzerte, verhandeln mit Künstlern und Agenten, stets das knappe Budget im Auge. 660 000 Euro hat es aus EU- und Landesmitteln gegeben. Die Karten sind mit 5 bis 25 Euro vergleichsweise günstig, allerdings wird es wie bei der Berlinale kein Gesamtticket geben. Bezahlt wird für einzelne Veranstaltungsblöcke.

Berlin Festival ist fester Bestandteil des Musik-Sommers

Während das Pop-Kultur-Festival und das Lollapalooza ihre Debüts noch vor sich haben, ist das Berlin Festival schon fester Bestandteil des Musik-Sommers. Vor zehn Jahren fand es erstmals statt, 2014 ist es vom zu weitläufigen Flughafen-Areal in Tempelhof auf das Gelände der Arena Treptow umgezogen. Lehmkuhl und Szép, die auch das Berlin Festival betreuen, sind glücklich mit der Veränderung. „Es hat sich da total gefunden mit dem Grün, dem Flair der alten Fabrik und der Spree“, schwärmt Fruzsina Szép.

Die Zeit der großen Headliner – 2013 etwa Blur, Björk und die Pet Shop Boys – ist aber vorbei. Nun werden unter anderem Hipster-Liebling Chet Faker und Indie-Ikone Róisín Murphy erwartet. Das Berlin Festival sei eher „nischig“, findet Lehmkuhl. Es soll 2015 noch mehr die Stadt repräsentieren, die es im Namen trägt. „Seit 2014 wächst der Anteil elektronischer Musik, und mit den zwei Outdoor-Bühnen bauen wir quasi den typischen Sonntagsrave nach.“ Berliner DJs wie Westbam, Fritz Kalkbrenner und Dixon, die Zusammenarbeit mit der Techno-Bastion Watergate und dem Schwulenclub Schwuz sowie der ums Doppelte gewachsene Raum für Kunst und Kultur sollen für einen roten Berlin-Faden sorgen. Installationen nehmen die Hälfte der Grünfläche ein, Berliner Filmfestivals zeigen eine Auswahl aus ihrem Programm, und auf der „Kirmes der Verpeilten“ will man das Berlin der zwanziger Jahre auferstehen lassen. Erstmals sind politische und soziale Vereine mit dabei, die etwa das Thema Migration in das Festivalprogramm einbringen. „Das gehört schließlich genauso zu Berlin“, so Szép.

Der Open-Air-Sommer wird eröffnet

Neu ist auch der Termin des Berlin Festivals. Mit dem Wechsel vom September zu Ende Mai gehe es jedoch nicht darum, dem doppelt so großen Lollapalooza auszuweichen. „Die jetzige Ausrichtung legt einfach nahe, den Open-Air-Sommer zu eröffnen“, erklärt Stefan Lehmkuhl. Konkurrenz zwischen den zahlreichen Festivals sehen er und Fruzsina Szép nicht. Die gebürtige Ungarin glaubt, dass die Stadt viele Festivals verträgt. „Hier ist doch 365 Tage im Jahr Saison.“

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