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Kurz vorm Happy-Abi-End. Biggi (Sandra Hüller), Direktorin Gerster (Katja Riemann) und Frau Leimbach-Knorr (Uschi Glas) können ihr Glück kaum fassen.
© Constantin

„Fack ju Göhte 3“ mit Elyas M'Barek: Schwererziehbar, mit Herz

Die Schule ist aus: In „Fack ju Göhte 3“ muss Elyas M'Bareks Chaosklasse zur Berufsberatung. Regisseur Bora Dagtekin gelingt ein würdiger Abschluss der Trilogie.

„Habt ihr denn keine Träume?“, pflaumt Aushilfslehrer Zeki Müller die Klasse fast schon verzweifelt an. „Ja schon. Aber nichts mit Beruf“, entgegnet Chantal in gewohnt knapper, treffsicherer Diktion.

Die Chaosklasse 11b der Goethe-Gesamtschule ist zurück im Kino, zum „Final Fack“, wie die Eigenwerbung des Verleihs verspricht. Diesmal geht es um die Zukunftsperspektiven der Schülerinnen und Schüler, die sich auf der Zielgeraden zum Abitur doch noch dem Ernst des Lebens stellen müssen.

Das Finale versteht sich als Fanprodukt

Ein Besuch im Berufsinformationszentrum endet allerdings erst einmal im Desaster. Nach einem Multiple-ChoiceTest spuckt der Algorithmus des Jobcenters für die Göhtianer lediglich Perspektiven als Kanalarbeiter oder Altenpflegerin aus. Lehrer Zeki (Elyas M'Barek) kommt immerhin auf „78 Prozent Schlachter“. Danger (Max von der Groeben) zerlegt vor Wut den Filmvorführraum, und Chantal (Jella Haase) brüllt: „Der Computer ist behindert. Wir wollen das nicht werden“. Der Zukunftsschock sitzt tief, also muss der Klassenlehrer neue, milieugerechte Motivationsmethoden entwickeln.

Das Finale von „Fack ju Göhte“ versteht sich in erster Linie als Fanprodukt. Fast 15 Millionen Zuschauer haben die ersten beiden Teile unter Regie von Bora Dagtekin im Kino gesehen, und am Ende dieser ganz und gar unepischen Trilogie wird dieses Göhte-Publikum mit Vertrautem bedient. Nachdem die zweite Folge mit einer Klassenfahrt die Flucht nach Thailand antrat und allzu sehr aus der Hüfte geschossen wirkte, kehrt Regisseur und Drehbuchautor Dagtekin nun zurück in den Mikrokosmos Schule.

Der Film trägt seine Botschaft etwas dick auf

Hier kommt es wieder zur rituellen Chaosproduktion, um den Aufmerksamkeitspegel nicht absacken zu lassen und die dramaturgische Marschroute ein wenig zu kaschieren. Denn während die ersten beiden Teile weitgehend ziellos umherschweiften, hat „Fack ju Göhte 3“ ein klares Ziel vor Augen. Wenn Corinna Harfouch als Berufsberaterin zu Beginn des Filmes attestiert, dass diese Schüler wohl nie vollwertige Mitglieder der Gesellschaft werden, muss Zeki Müller zusammen mit der neuen, beherzten Kollegin Biggi (einfach Bombe: Sandra Hüller) folgerichtig alles daran setzen, um seine geliebten Querulanten mit einem Happy-Abi-End zu versorgen.

Der Film trägt seine integrative Botschaft etwas dick auf. Aber letztlich folgt er damit dem Geist des Erstlings, der hinter der rauen Macho-Schale ein großes Herz für die Figuren versteckte. Immerhin schafften es Dagtekin und Darstellerin Jella Haase, dass sich mehr als sieben Millionen Zuschauer in die Assi-Braut Chantal verliebten – eine Integrationsleistung ist, wie sie wohl nur das Kino bewerkstelligen kann.

Bloß nicht zu sentimental werden

Bei aller Lebensratgeberei und dramaturgischen Abrundungsanstrengungen liegt die eigentliche Qualität des Films erneut in den vielen kleinen dialogischen Details und dem Jargon- und Sprachwitz. Und wenn es am Ende von Chantals Abi-Ansprache dann doch zu kitschig wird, ruft Zeynep (Gizim Emre) einfach „Chantal, du geile Sau“ dazwischen.

Insgesamt vielleicht sogar ein etwas zu würdiger Abschluss der Trilogie, die sich ihre anarchistische Spielfreude – wenn auch in kanalisierter Form –bewahrt hat. So wie Danger, der seine Wutausbrüche zukünftig an der Kunsthochschule als neuer Jackson Pollock ausleben darf.

Anders als in Hollywood, wo Blockbuster mit gigantischen Marketingetats und merkantiler Präzision vom Band laufen, ist der Erfolg deutscher Kinoproduktionen immer noch schwer zu kalkulieren. Wer hätte zu Beginn des Jahrtausends schon gedacht, dass Michael „Bully“ Herbigs Karl-May-Lustspiel „Der Schuh des Manitu“ einmal der erfolgreichste deutsche Film aller Zeiten sein würde?

Für Erfolg an deutschen Kinokassen braucht man keinen aufwendigen Plot

Auch der Erfolg von „Fack ju Göhte“ wird jenseits der Sequel-Produktionen wohl keine Patentrezepte liefern, außer dass neben einem TV-Vorlauf (bei Herbig war es die „Bullyparade“, bei Dagtekin „Türkisch für Anfänger“) eigene und eigenwillige Humorkreationen der Schlüssel zu einem veritablen Kassenhit sind und auf aufwendige Plotkonstruktionen getrost verzichtet werden kann.

Im Gegensatz zu Herbig, der mit „Der Schuh des Manitu“ und „(T)raumschiff Surprise – Periode 1“ die in den deutschen AlltimeCharts die beiden ersten Plätze belegen, anders auch als Werke wie „Otto – Der Film“ (Platz 3) oder „7 Zwerge“ (Platz 6,) blödelt „Fack ju Göhte“ nicht im gesellschaftlichen Niemandsland. Dagtekin dockt ohne Authentizitätsansprüche direkt an der sozialen Realität an und entwickelt daraus seine Figurencharakterisierungen und einen unverwechselbaren Sprachstil. Und das ist gemessen an den bescheidenen Qualitätsvorgaben in heimischen Humorgefilden, die nach der Beziehungskomödienwelle der neunziger Jahre im TV-Comedian-Sumpf zu versinken drohten, schon einmal ein beachtlicher Fortschritt.

Ob die Zukunft der deutschen Mainstream-Komödie hier oder weiter „Unter deutschen Betten“ liegt, wird das Publikum entscheiden.

Ab Donnerstag in 21 Berliner Kinos

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