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Ganz sicher kein Loser. Beck Hansen hat sich seinen Ruf als eigenbrötlerischer Künstler nach 25 Jahren Musikgeschäft bewahrt.
© Mikai Karl/Universal

Beck im Interview: „Reichtum kommt von innen“

Der US-Popmusiker Beck hat für sein Album „Hyperspace“ mit Pharrell Williams zusammengearbeitet. Ein Gespräch über Deutschland, Technologie und sein „Loser“-Trauma.

Herr Hansen, als Teenager haben Sie eine Zeit lang in Köln gelebt. Sind das gute Erinnerungen?
Oh ja. Wenn ich an Deutschland denke, werde ich sentimental. Dann denke ich an meinen Großvater. Als ich 16 war, sparte ich auf das günstigste Flugticket. Ich blieb eine ganze Weile, es war mein erstes Mal Europa. Mein Opa war Avantgarde-Künstler. In Amerika fand er kaum Beachtung, aber in Deutschland war er akzeptiert und wurde verehrt. Das bedeutete mir die Welt! Und es öffnete mir die Augen: Ich hatte zum ersten Mal das Gefühl, an einem Ort zu sein, wo Künstler einen Platz in der Gesellschaft haben.

Sprechen Sie Deutsch?
Ein bisschen zumindest. Aber es ist alles weg. Am Ende von „Loser“ frage ich: „Sprechen Sie Deutsch?“ Denn in den Jahren danach ploppten in meinem Kopf immer wieder Sätze auf, mit denen ich improvisierte. Ich habe auch mal ein Theaterstück auf Deutsch geschrieben.

Im Ernst?
Ja, mit 16. Ich bekam ein Buch mit Redewendungen für Touristen. In Köln besaß ich eine deutsche Schreibmaschine. Ich schrieb ein Stück, in dem die Charaktere sich ausschließlich in Sätzen aus einem Wörterbuch unterhielten.

Und das funktionierte?
Nun ja, es war natürlich komplett absurd. Das ging ungefähr so: „Wo ist der Hauptbahnhof?“ Und die andere Person sagt: „Ich möchte gerne Käse bestellen.“ Und der dritte Typ findet: „Das Wetter ist sonnig.“ Aber egal: Ich habe ein Theaterstück auf Deutsch geschrieben! Ich weiß gar nicht, wo ich das Script hingepackt habe...

Sie sollen in armen Verhältnissen aufgewachsen sein.
Es waren bestimmt zehn Jahre, in denen wir total mittellos waren und es gerade so zum Überleben reichte. Meinem Großvater in Deutschland ging es nicht anders: Er hielt sich mit dem Reparieren von Fahrrädern über Wasser. Das Ein-Zimmer-Apartment, in dem ich mit ihm wohnte, hatte nicht mal eine eigene Küche. Das Klo war draußen vor der Tür.

Und das hat Sie nicht davon abgehalten, Ihren Eltern und Ihrem Großvater in den Künstlerberuf zu folgen?
Ich habe nie angenommen, dass Geld Teil meines Weges sein würde. Ich denke, es wäre okay für mich gewesen, wenn ich mein Leben lang arm geblieben wäre. Denn mir war immer bewusst, dass man sich durch Kreativität sehr reich fühlen kann. Reichtum kommt von innen.

Wie sind Sie damit klargekommen, als 1993 mit „Loser“ der Durchbruch kam?
Das war schwierig. Wenn man heutzutage einen fetten Nummer-Eins-Hit hat, lassen alle die Champagnerkorken knallen oder filmen für Social-Media-Kanäle, wie sie Tränen vergießen. Als das mit mir passierte, musste ich mir Dinge anhören wie: „Du bist ein Verräter. Du stehst für Ausverkauf.“ Es war verpönt, Erfolg zu haben. Die populäre Musik wurde eh als etwas Billiges und nicht Künstlerisches gesehen. Auch Pearl Jam und Nirvana setzte die Kritik zu, daran erinnere ich mich als ihr Fan. Mein Problem war also nicht, mit dem Erfolg klarzukommen, sondern mit den Reaktionen darauf: der Verurteilung und dem Neid.

Mit welchen Konsequenzen?
Lange Zeit fühlte ich mich beschämt. Es brauchte Jahre, bis ich realisierte, was für eine wundervolle Sache „Loser“ war und ich den Song feiern konnte, den die Menschen liebten. Mit 40 konnte ich mir dann endlich sagen: Vielleicht hatte ich ein paar gute Ideen, als ich „Loser“ gemacht habe. Ich gehe zurück zu der Person, die ich damals war. Daraus erwuchs 2017 die Platte „Colors“, wo ich unverfroren Melodien feierte und alles, was eingängig ist. Denn viele Jahre hatte ich das Gefühl, dass ich all das wegradieren müsste.

Damals hätten Sie wohl nicht mit „Happy“-Hitschreiber Pharrell Williams gearbeitet, der an sieben Stücken Ihres neuen Albums „Hyperspace“ mitwerkelte.
Pharrell ist sehr spontan und entschlussfreudig. Das tat mir gut. Denn ich wurde im Laufe meiner Karriere verkopfter, brütete lange über Ideen, probierte immer verschiedene Dinge aus. Ich lernte wieder, mir selbst zu trauen. Und nun hat diese Platte diese außerweltliche Stimmung, ist introspektiv, dabei sehr modern. Ich habe Platten gemacht, die viel nostalgischer anmuteten.

Das Album beginnt mit dem Stück „Hyperlife“. Was ist mit dem Begriff gemeint?
„Hyperlife“ bezeichnet den Moment, wenn alles auf einmal passiert. Es dockt ein bisschen an Themen der letzten Arcade-Fire-Platte an: Alle Jahrzehnte der Mode und Musik sind derzeit populär. Als ich jünger war, gab es noch Regeln: Was ist cool, was nicht? Man konnte noch mit diesen Regeln brechen. Heute kannst du im Prinzip machen, was du willst.

Bedeutet das, es gibt keine musikalischen Grenzen mehr, die Sie ausloten könnten?
Oh doch, ich habe einiges an sehr merkwürdiger Musik parat, die ich noch nicht veröffentlicht habe. Damit würde ich viele Fans verlieren. Aber mir gefällt sie.

Sie setzen sich auf der Platte mit dem Thema Technologie auseinander.
Sie definiert unser Leben. Ist es nicht interessant, dass wir auf dem Zenit der Technologie sind und der Entwicklung unserer modernen Welt mit endlosen Möglichkeiten, aber dass genau das uns letztendlich zurückführt zu unserem grundlegenden Bedürfnis nach echter menschlicher Verbindung?

Der Mensch als Gesellschaftstier.
Das ist die Botschaft der Platte! Nur in Gesellschaft fühlen wir uns ganz. Das mit der Technologie hat aber noch eine andere Ebene: Heutzutage gibt es überall Kameras, ich sehe mich kontinuierlich selbst. Dann fallen mir Sachen auf, bei denen ich mich frage: „Habe ich mich verändert oder war ich immer so?“ Es ist, als würde uns jemand unentwegt einen Spiegel vorhalten, durch den wir gezwungen sind, uns ständig selbst anzustarren.

Was macht das mit uns?
Du bekommst ein verzerrtes Bild von dir. Auch deshalb sehnen wir uns nach der Verbindung zu anderen Menschen, denn die können besser als das Internet oder ein Spiegel reflektieren, wer wir sind.

Nächstes Jahr werden Sie 50. Wie fällt Ihre Bilanz aus?
Ich habe definitiv einige Dinge durchgemacht. Mehr als einmal in meinem Leben sah es nicht gut für mich aus. Ich bin sehr glücklich und dankbar dafür, wo ich heute stehe. Bei Künstlern gibt es oftmals einen Punkt, wo sie anfangen, mit sich zu hadern, und denken, es wäre mehr für sie drin gewesen. Aber zum Glück gehöre ich nicht zu ihnen.
„Hyperspace“ erscheint bei Capitol/Universal.

Katja Schwemmers

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