Auf Oscar-Kurs: Der Goldjunge: Pharrell Williams
Hits in Serie: Am Sonntag will Pharrell Williams einen Oscar gewinnen. Einen Tag später kommt sein Soloalbum "Girl" heraus, das neben "Happy" weitere musikalische Glückskekse enthält. Justin Timberlake, Daft Punk und Alicia Keys mischen auch mit.
Dieser Hut! Braun, zerbeult, schlecht proportioniert. Das von Vivienne Westwood entworfene Teil sieht ziemlich beknackt aus, doch Pharrell Williams trägt es seit vier Wochen stoisch als sein neues Markenzeichen. Zum ersten Mal stand er damit bei der Grammy-Verleihung auf der Bühne – neben Nile Rodgers und den Roboterhelmträgern von Daft Punk. Sie bekamen die Auszeichnung für „Get Lucky“, den größten Hit des vergangenen Jahres. Als sie den Song anschließend gemeinsam mit Stevie Wonder spielten und mit alten Daft-Punk-, Chic- und Stevie- Wonder-Stücken vermischten, war das einer der großen Wow-Momente dieser glamourösen Nacht in Los Angeles.
Eher in die Kategorie Au-Momente fiel hingegen Pharrell Williams Auftritt bei „Wetten dass..?!“ letzte Woche in Düsseldorf, wo Markus Lanz ihn erst wie einen Außerirdischen bestaunte und das Saalpublikum anschließend sein Lied „Happy“ gnadenlos im Schlagermodus zerklatschte. Doch dem 40-jährigen Musiker – natürlich wieder mit dem zerbeulten Hut auf dem Kopf – konnte das alles nichts anhaben. Er lächelte, sang seinen ansteckend gut gelaunten Song, mit dem er am Sonntag ins Oscar-Rennen geht. Geschrieben für den Soundtrack des Animationsfilms „Ich – Einfach unverbesserlich 2“ ist er durch das geniale 24-Stunden- Online-Video inzwischen zu einem viralen Selbstläufer geworden, mit nachgespielten Versionen aus knapp 400 Städten, darunter London, Bukarest, Lyon, Tokio, Tel Aviv und Berlin. Im Original tanzen 336 junge, alte, prominente, dicke, dünne, schwarze und weiße Menschen zu „Happy“ durch Straßen, Schulen, Bowlingbahnen und Hotelflure von Los Angeles – einen ganzen Tag und eine ganze Nacht lang. Pharrell selbst taucht jede Stunde einmal auf, tanzt und singt den wunderbar sinnfreien Text („Clap along if you feel like a room without a roof/Because I’m happy/ Clap along if you feel like happiness is the truth“).
Allein schon für diese tolle filmische Umsetzung der von Handclaps und einem Fender-Rhodes-Piano angetriebenen Uptemponummer hätte er den Goldkerl verdient. Er würde gut in Pharrells Erfolgsserie passen, denn der Sänger, Produzent und Songwriter hat derzeit wieder den Midas-Touch, mit dem er bereits in den Nullerjahren als Teil des Produzentenduos Neptunes sowie als Sänger der Band N.E.R.D für unzählige Hits gesorgt hatte. Im vergangenen Jahr gelang ihm neben „Get Lucky“ und „Happy“ auch noch mit Robin Thickes „Blurred Lines“ ein Megahit. Der ganze Ärger, den das Stück berechtigterweise wegen seiner Lyrics, des sexistischen Videos und Miley Cyrus’ Arschwackeleinlage abbekam, traf jedoch vor allem Thicke. Koautor und Produzent Pharrell überstand selbst einen Plagiatsstreit mit den Erben von Marvin Gaye völlig unbeschadet.
Funky Gitarren, Dancebeats, gute Laune
Jetzt ist er ohnehin erst mal auf sich allein gestellt, denn er bringt sein zweites Soloalbum „Girl“ heraus. Es erscheint weltweit am Montag, also ein paar Stunden, nachdem er hoffentlich den Oscar in die Arme schließen durfte. Falls es doch nicht klappen sollte, kann sich der ewig jugendlich wirkende Musiker höchstwahrscheinlich eine Woche später über Platz 1 in diversen Charts freuen. Denn die zehn Songs – darunter auch „Happy“ – führen seine Arbeit aus dem letzten Jahr ebenso konsequent weiter wie seine früheren Kollaborationen mit Größen wie Kelis, Madonna, Snoop Dogg oder Justin Timberlake. An Letzteren muss man bereits beim Eröffnungssong „Marilyn Monroe“ denken, für den Hans Zimmer ein Cinemascope-Streicher-Arrangement geschrieben hat. Kombiniert mit einem schnellen Dancebeat, einer muskulösen Bassline, einer funky Gitarre und Pharrells vervielfachtem Gesang entsteht umgehend Tanzstimmung.
Bevor man Justin Timberlake allzu sehr vermisst, steigt er im zweiten Song gleich mit ein. „Brand New“ ist von einer geradezu Jackson-5-haften Fröhlichkeit erfüllt. Und wie sich die Falsettstimmen der beiden Sänger hier ineinanderschieben, ist großartig. Überhaupt singt Pharrell viel im Falsett. Sein frühes Rap-Alter-Ego Skateboard P. ist offenbar in Rente gegangen. Auch Gastrapper hat er, anders als auf seinem Solodebüt „In My Mind“ (2006), diesmal nicht eingeladen. Dafür dürfen sich Daft Punk revanchieren, deren „Random Access Memories“ Pharrell Williams mit zwei Gesangsbeiträgen veredelte: Sehnsüchtige Roboterstimmen erklingen im Refrain von „Gust of Wind“. Das von Streichergirlanden umschmeichelte und von Nile-Rodgers-Gedächtnis-Licks durchzuckte Stück beschwört noch einmal die nostalgische Atmosphäre des gemeinsamen Meisterwerkes herauf.
Ein gewisses Retroflair mit Gesangshommagen an die Bee Gees und an Michael Jackson durchzieht das Album, dessen textlicher Fokus auf Frauen, Liebe und Sex liegt. Zu hören sind zwei Frauen: Miley Cyrus betätigt sich in „Come Get It Bae“ vor allem als Backgroundsängerin, während Alicia Keys bei der Pop-Reggae- Nummer „Know Who You Are“ als vollwertige Duettpartnerin agiert. Pharrell räumt für sie die Mitte des Songs frei, um sie funkeln zu lassen – wie es sich bei einer echten Lady gehört. Fräulein Cyrus muss sich solche Ehren noch verdienen.
„Girls“ ist ein kurzweiliges, optimistisches Album, das bei aller Massenkompatibilität auch immer wieder überraschende Abzweigungen nimmt. So gibt es in der minimalistischen, von Congas und Stammesgesängen getragenen Nummer „Lost Queen“ eine lange Meeresrauschenauszeit, und der hitverdächtig beginnende Abschlusssong „It Girl“ driftet nach zweieinhalb Minuten in eine Art psychedelische Funkmeditation ab, an der auch George Clinton Freude hätte.
Pharrell zeigt mit „Girls“, dass er es auch alleine kann, das Album wird nicht untergehen wie sein erstes. Und der Hut? Den ist er am Sonntag los: Bis zum Beginn der Oscar-Übertragung läuft eine Onlineauktion zugunsten seiner Kinder-Charity. Bisher sind 15 100 Dollar geboten – nicht schlecht für das hässliche Ding.
„Girl“ erscheint am 3. März bei Sony.
Nadine Lange
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