Berlins freie Szene dreht sich in der Endlosschleife: Probleme? Welche Probleme?
Jammern gehört zum Handwerk: Ein kulturpolitisches Hauptstadt-Plenum im Deutschen Theater
Es ist Nele Hertling, die den wahrsten Satz des Abends spricht. Das Schreckliche am Alter sei, seufzt die ehemalige Hebbel-Intendantin, dass man erleben müsse, „wie lange über die immer gleichen Sachen geredet wird“. Sie könnte jetzt zum Beispiel ein „Tanzhaus-Papier von 1992“ hervorholen. Und es käme allen vor wie von heute. Glaubt man ihr sofort. Auch ohne es zu kennen.
Die Grüne Sabine Bangert hat zur Fortsetzung ihrer Werkstattgesprächsreihe über die Reform der Kulturpolitik ins Deutsche Theater geladen. Titel: „Akt 3: Fokus Darstellende Künste“. Eingangs zieht sie irritierende Parallelen zu einem Königsdrama. Offenbar soll Klaus Wowereit darin die Rolle des gestürzten Regenten einnehmen. Aktuell jedenfalls „wetteifern drei Prinzen“ in ihrem Bild um die Nachfolge. Mag ja sein, dass gerade ein kulturpolitisches Vakuum entsteht. Aber wo ist das Drama?
Bangert hat eine prominent besetzte Runde zusammengetrommelt. Eva-Maria Hoerster vom Zentrum Tanz, DT-Intendant Ulrich Khuon sowie Sophiensäle-Leiterin Franziska Werner übernehmen Paten-Funktion für den Bereich Darstellende Künste. Dazu sind HAU-Chefin Annemie Vanackere, Janina Benduski vom Performing Arts Program, Ballhaus-Leiter Wagner Carvalho, Schaubühnen-Vize Tobias Veit und viele weitere Experten geladen. Auf dem Papier stehen Fragen à la: „Wie kommen wir zu zeitgemäßen Zielvereinbarungen und Verträgen für die Theater und Tanzensembles?“ Aber trotzdem könnte ja eine interessante Diskussion zustande kommen.
Visionen sind Glückssache
Eine Erkenntnis beschert die zweieinhalbstündige Diskussion auch tatsächlich. Sie wird vor allem dem künftigen Kultursenator gefallen: Die freie Szene hat momentan offenbar keine Probleme. Klar, es gibt die üblichen Klagen. Irgendwer findet sich in solchen Runden immer, der verlangt: „Kultur muss endlich als Querschnittsaufgabe begriffen werden“. Solche Sätze könnte man nummerieren, dann müsste man sich zukünftig nur noch mit wissendem Nicken die Zahlen zurufen.
Und tatsächlich gibt es aus der Tanzfraktion die Forderung nach einem großen Haus nur für den Tanz. Die Volksbühne wird kurz ins Gespräch gebracht. Woraufhin die Vernunftbegabten unter den Anwesenden Mühe haben, ihre berechtigte Fassungslosigkeit zu verbergen. Vielleicht hat das verpuffte Ringen um die City Tax zu einer Art Schockstarre geführt. Vielleicht ist die Resignation angesichts der großen Visionslosigkeit eingetreten. Zu den diskussionswerten Punkten dringt der Abend nicht mehr vor. Zum Beispiel zur Frage, wieso die Kulturpolitik Jurys über die Förderungen entscheiden lässt, deren Beschlüsse mit verlässlicher Regelmäßigkeit unterlaufen werden. Patrick Wildermann
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