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Unechter Kumpel. Neel Sethi als Mogli und der computergenerierte Bär Balu.
© Disney/dpa

Im Kino: "The Jungle Book", der Klassiker neu verfilmt: Probier’s mal mit Geschwindigkeit

Realfilm und Animation fulminant gemischt: Die Neuauflage von Disneys „The Jungle Book“ schickt Mogli in ein Actionspektakel.

Jetzt heißt es stark sein müssen für Disney-Nostalgiker. Mit der Atmosphäre der „Probier’s mal mit Gemütlichkeit“-Verfilmung von Rudyard Kiplings „Dschungelbuch“ hat die Neuauflage des Klassikers ungefähr so viel Ähnlichkeit wie Winter- mit Sommertemperaturen. Und doch ist Jon Favreaus „The Jungle Book“ eine angemessen respektvolle Verneigung vor dem Zeichentrickfilm-Musical.

Dessen flockiger, swingender Charme hat seit dem Erscheinen 1967 laut Disney allein in Deutschland sagenhafte 27 Millionen Kinogeher und eine nicht in Erfahrung zu bringende Zahl von DVD-Käufern mehrerer Generationen bezaubert. Prompt mehren sich schon vor dem Kinostart am Donnerstag die Früher-war-alles-besser-Stimmen, die die Düsternis und das Tempo von Favreaus Actionspektakel geißeln.

Doch auch wenn die Welt vor fast 50 Jahren kuscheliger war, was angesichts des Kalten Krieges oder der Studentenrevolte getrost bezweifelt werden darf, kann es niemals schaden, kleinen (in diesem Fall lieber nicht ganz kleinen) wie großen Kinogängern differenzierte Charaktere vorzusetzen – und da hat das neue „Jungle Book“ deutlich mehr zu bieten als die nett-niedliche Mogli-Saga von einst.

Balu ist ein durchaus opportunistischer Charakter

Balu beispielsweise, der Bär, der bislang nur als Müßiggänger und Jazzfan bekannt war, zeigt sich hier als opportunistischer, den Helden Mogli bei der Honigernte für seine Zwecke instrumentalisierender Charakter. Affenchef King Louie, dessen Song „Ich wäre gern wie du“ in dem konsequent inkonsequent nicht als Musical angelegten Dschungelabenteuer ebenso erklingt wie Balus „Probier’s mal mit Gemütlichkeit“, wächst zum Format eines Despoten. Bananen schmeißen und beim Tanzen mit dem Hintern wackeln wie weiland der Zeichentrick-Louie ist seine Sache nicht. Dieser King will die Macht über die „rote Blume“ erlangen, das Feuer der Menschen, weil seine Sehnsucht, die tierische Existenz zu überwinden, mindestens so groß ist wie sein Herrschaftsanspruch.

Und die Elefanten, die in Kolonel Hathis Elefantenpatrouille ehedem die dusseligen Trampel des indischen Urwalds waren, sind nun als mythische Schöpfer der Welt gezeichnet, vor denen sich alle Kreaturen verneigen. Wie Favreau es hinbekommt, trotzdem Moglis spezielle Begegnung mit einem Elefantenjungen von 1967 zu zitieren, das ist schon elegant. Wie überhaupt die Grundzüge der Entwicklungsgeschichte identisch sind, die auch hier Moglis väterlicher Freund erzählt, der Panther Baghira (Stimme: Joachim Król). Das Findelkind wächst bei einem Wolfsrudel auf. Tiger Shir Khan (Stimme: Ben Becker), ein „Maneater“, will dem verhassten Menschenjungen an den Lendenschurz. Um ihn zu schützen, macht sich Baghira mit Mogli auf ins Menschendorf. Doch da will der partout nicht hin, auch wenn er sich ob seines Andersseins von den Tieren notorisch ausgegrenzt fühlt.

Dass die sich verhalten und sprechen wie Menschen, ist in der ersten Viertelstunde gewöhnungsbedürftig. Denn obwohl in „The Jungle Book“ nichts außer dem Schauspieler Neel Sethi real ist, der verglichen mit den Tiercharakteren einen nicht sonderlich charismatischen Mogli abgibt, wirkt das computeranimierte Setting unfassbar echt. 100 000 Fotos vom indischen Dschungel liegen dem grünen Dickicht aus Bäumen, Moosen, Farnen, Lianen zugrunde. Und von den 70 auftretenden Tierarten sind in dieser fulminanten Kombination aus Real- und Animationsfilm besonders die mit Fell so gut getroffen, wie das überhaupt erst seit der Mensch-und-Tiger-Saga „Life of Pi“ von 2013 technisch gelingt.

Bald ist es unmöglich, wirkliche von künstlichen Welten zu unterscheiden

Angesichts dieser rasanten Entwicklung, die es bald unmöglich machen wird, wirkliche Wesen und Welten von computergenerierten zu unterscheiden, möchte man das liebe alte „Dschungelbuch“ von 1967 fast doch unter Artenschutz stellen. Eine blödsinnige Idee: Daran war ja auch nichts echt. Bis auf die Wahrheit selbstverständlich, die in stimmigen Charakteren und einer gut erzählten Geschichte liegt. Auch wenn sie altbekannt und sichtlich auf überwältigende Schauwerte getrimmt ist, die in „The Jungle Book“ – was selten genug vorkommt – auch dramaturgisch endlich mal in 3-D überzeugen.

Dessen nächste, diesmal britische Interpretation ist übrigens schon in Produktion: Warner Brothers bringt 2018 eine Verfilmung ins Kino. Regie führt Andy Serkis, der als Schimpansen-Darsteller in „Planet der Affen – Revolution“ bereits einschlägige Erfahrungen gesammelt hat.

Ab Donnerstag in 25 Berliner Kinos, OmU: Odeon, Rollberg, OV: Zoo Palast, Colosseum, Union Filmtheater, Cinestar Sony-Center

Gunda Bartels

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