Ausstellung der Londoner Tate Modern: Picasso 1932 - das produktivste Jahr im Leben des Jahrhundertkünstlers
Rastlos, fast manisch arbeitete Künstler Pablo Picasso im Jahr 1932. Die Londoner Tate Gallery widmet dieser entscheidenden Schaffenszeit eine umfassende Ausstellung.
Kein Künstler ist so umfassend dargestellt, so gründlich analysiert und vor allem so ausgiebig in seinen Arbeiten vorgestellt worden wie Pablo Picasso. Das kunstinteressierte Publikum hat einen Grad von Intimität mit seiner Biografie erlangt, dass es schwerfällt, Leben und Werk noch zu unterscheiden. Die Ausstellung „Picasso 1932“, die jetzt im Londoner Museum Tate Modern die Massen anzieht, stellt den Höhepunkt dieser über die Jahrzehnte immer enger gewordenen Verbindung dar. Ein einziges Jahr in Picassos über 70 Jahre währendem Schaffen wird herausgestellt, freilich ein unbestreitbar wichtiges im Leben und in der Werkbiografie des Künstlers. Monat für Monat wird in datumsmäßig erfassten Werken vorgeführt, und im Katalog zudem Tag für Tag des privaten und vor allem auch intimen Lebens.
Beim Blick auf die Biografie liegt es nahe, in Picassos Werken die unmittelbare Umsetzung privater Wirrnisse zu sehen. Picassos nunmehr 13 Jahre währende Ehe mit Olga Chochlowa kriselte erheblich, aber dies auf seiner Seite schon länger – seit er 1927 die damals 17-jährige Marie-Thérèse Walter kennen- und lieben gelernt hatte, das Verhältnis aber bis 1935 fast geheim halten konnte. Die Bilder des Jahres 1932, quantitativ und wohl auch qualitativ das herausragende seiner Schaffenszeit, bilden immerzu diese blonde, junge, athletische Frau ab. Wenn Picasso, der nicht schwimmen konnte, erwog, im Garten seines normannischen Landhauses einen Swimmingpool für die geübte Schwimmerin Marie-Thérèse anzulegen, lässt sich die Tiefe des erotischen Konflikts ermessen.
Über solcher Schlafzimmerpsychologie lässt sich leicht übersehen, dass 1932 aus einem anderen Grund für den Künstler wichtig war: Im Vorjahr 50 Jahre alt geworden, stand für ihn die erste Retrospektive in Aussicht – zu einer Zeit, da man, anders als heute, lebenden Künstler noch kaum Retrospektiven ausrichtete.
Es war allerdings kein Museum, von dem die Initiative ausging, sondern eine Reihe von Galeristen und Vermittlern, darunter der in Paris lebende Deutsche Carl Einstein, die die Ausstellung für die als Verkaufsraum dienenden Galeries Georges Petit vorsahen – kurz nach einem international beachteten Auktionsrekord für ein Gemälde Picassos. Zuvor bereits hatte das Kunsthaus Zürich seine Absicht kundgetan, eine Ausstellung der drei Pariser Großmeister Picasso, Braque und Léger zu erarbeiten. Daraus wurde dann die (leicht veränderte) Übernahme der Pariser Galerie-Schau Picassos im Herbst 1932, der ersten Museumsausstellung des Künstlers überhaupt. Die hat das Kunsthaus Zürich vor acht Jahren mustergültig rekonstruiert.
Besessener und Gesellschaftsmensch - die zwei Seiten Picassos
In der Tate Modern sind nun aber ausschließlich Arbeiten des Jahres 1932 zu sehen. Frei vom Lebenswerk des Künstlers, wie es bei der Erstpräsentation der jetzigen Ausstellung im Pariser Musée Picasso immer anwesend blieb, lässt sich besser erkennen, was für eine ungeheure, rastlose, ja manische Schöpferkraft den Künstler getrieben hat. Fast ausschließlich malt er Akte; Akt im Sessel, Ruhender Akt, Frau am Strand, und noch ein Stillleben mit Büste ist ein Porträt der Geliebten – als Gipsbüste. Picasso ist besessen; aber das ist nur die dunkle Seite, der eine hellere, gesellschaftlich akzeptable gegenübersteht: der Künstler als arrivierter Gesellschaftsmensch, Luxusauto mit Chauffeur, riesige Wohnung im vornehmsten Stadtbezirk. Dann wird er auch noch Kurator seiner eigenen Retrospektive, in der er nicht etwa chronologisch vorgeht, sondern Arbeiten sämtlicher „Perioden“ mischt und so den Mythos mitbegründet, er beherrsche zu jeder Zeit alle Stile und Darstellungsformen, der proteische Künstler schlechthin.
Ende des Jahres verlieren seine Bilder an Buntheit
Farbstark sind die Bilder des Jahres 1932. Darin kann man eine Antwort auf den Rivalen Henri Matisse sehen, dem im Jahr zuvor eine Retrospektive in Paris zuteilwurde. Gegen Ende des Jahres verlieren Picassos Bilder an Buntheit; daraus einen Reflex auf die weltpolitische Situation zu konstruieren, wie es der Londoner Kurator Achim Borchardt-Hume im Katalog tut, wirkt ein bisschen gezwungen. Ende November malt er „Die Rettung“ – eine Ertrinkende, die von zwei anderen Frauen aus dem Wasser gehoben wird. Alle drei Figuren tragen die Züge der Geliebten Marie-Thérèse, die in jenem Sommer an der Côte d’Azur Urlaub gemacht hatte. Das beschäftigte ihn.
Picasso war nicht politisch, und wenn er sich einmal äußerte, dann als der Künstlerstar, der er war. Erinnert sei daran, dass er selbst für den Spanischen Pavillon bei der Weltausstellung 1937 nicht das Jahrhundertbild „Guernica“ vorsah, sondern zunächst eine Komposition „Maler und Modell“. Sein Jahr 1932 war, wie stets, ein privates. Ebendas macht sein Werk zeitlos.
London, Tate Modern, bis 9. September. Katalog 19,99 GBP. www.tate.org.uk
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