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Prince Rogers Nelson, genannt Prince, 56.
© Warner

Gleich zwei neue Prince-Alben: Mit dem Dritten sieht man doppelt

Funk, Rock, Balladen: Prince bringt gleichzeitig die beiden Alben "Art Official Age" und "Plectrumelectrum" heraus – und überhebt sich dabei.

Er ist zurück bei den Sklaventreibern. Prince bringt wieder Platten bei Warner heraus. Dass es dazu mehr als zwanzig Jahre nach seiner Trennung von dem Label kommen würde, hätte wohl selbst ein extrem durchgeknalltes Orakel nicht zu prophezeien gewagt. Dafür war es doch etwas zu ruppig zugegangen damals, als der Musiker erfolglos die Kontrolle über seine Masterbänder gefordert hatte und häufiger Alben herausbringen wollte, als Warner ihm zugestand. Aus Protest schrieb er sich „Slave“ auf die Wange, legte 1993 seinen Namen zugunsten eines Symbols ab und erfüllte mit unterinspirierten Werken wie „Come“ oder „Chaos And Disorder“ seinen Vertrag.

Mit diesen Aktionen strapazierte er die Nerven seiner Fangemeinde, die in dieser Zeit sicher nicht gewachsen ist. Und auch „Emancipation“ (1996) sein erstes Album in „Freiheit“ – mit gesprengten Ketten auf dem Cover – war nicht die ersehnte Rückkehr zur alten Form. Dass es sich überdies um ein Tripel-Konzeptalbum handelte, zeigte, wie weit der kleine Mann aus Minneapolis mittlerweile in seine eigene Welt abgedriftet war. Seither brachte er seine Platten mal bei Warner-Konkurrenten, mal ganz allein oder mithilfe von Supermarktketten oder Presseverlagen heraus. So ließ er sein letztes Werk „20Ten“ vor vier Jahren in England einer Tageszeitung beilegen, in Frankreich einem Magazin und in Deutschland der Kioskauflage des „Rolling Stone“ – häufig kurz vor oder nach Konzerten in den jeweiligen Ländern.

Prince hat "Plectrumelectrum" mit seiner Tourband 3rdeyegirl aufgenommen

Auffällig bei Prince Rogers Nelsons Abenteuern im Selbstverlagswesen: Downloadangebote spielten nur eine untergeordnete Rolle. Der Meister erklärte sogar, dass das Netz für ihn „durch“ sei und die Zeit für etwas Neues gekommen. Nasa-Technologie? Telepathische Songverschickung? Nein, das Neue ist das Alte. Mit Warner bringt genau das Label die 28. Prince-Platte „Art Official Age“ heraus, auf dem alle seine maßgeblichen Werke, erschienen sind, darunter „Dirty Mind“, „1999“ „Sign ’O’ the Times“ und der Soundtrack zu „Purple Rain“, den er demnächst neu auflegen wird.

Was ein wenig wie die reumütige Rückkehr des verlorenen Sohnes aussieht, wird von beiden Seiten lediglich mit Freudenbekundungsfloskeln kommentiert. Kein Nachtreten oder Auftrumpfen. Über die Details des Deals schweigt man zwar, bekannt ist immerhin: Prince’ alter Wunsch, die Rechte an seinen Master Recordings zurückzubekommen, wurde ebenso erfüllt wie seine einstige Forderung nach einer höheren Veröffentlichungsfrequenz. Denn neben „Art Official Age“ kommt am heutigen Freitag auch das Album „Plectrumelectrum“ seiner Tourband 3rdeyegirl heraus. Mit dieser aus drei Frauen bestehenden Formation hätte er Anfang Juni im Berliner Tempodrom auftreten sollen. Doch das Konzert wurde einen Tag vorher aus „produktionsbedingten Gründen“ abgesagt – eine hübsche Umschreibung dafür, dass die Ticketpreise offenbar viel zu hoch waren und der Vorverkauf miserabel lief.

Prince zeigt sich als stilvoller Verwalter seines sexy-funky Erbes

Wie Prince zusammen mit Schlagzeugerin Hannah Ford Welton, Bassistin Ida Nielsen und Gitarristin Donna Grantis klingt, kann man nun auf dem gemeinsamen Album nachhören. Es ist keine sonderlich beglückende Erfahrung, wird es doch von breitbeinigen, altbackenen Rocksongs dominiert. Die Gitarren röhren wie Motorräder, es gibt öde heruntergerissene Riffs und quietschende Nerv-Soli. Wenn Prince den Leadgesang übernimmt, klingt das wie ein Mix aus Lenny-Kravitz-Ausschuss und Hardrock-Parodie, singt eine der Damen, ähnelt das einer missglückten Hommage an die Runaways.

Und während man sich noch fragt, was tolle einstige Prince-Mitstreiterinnen wie Wendy & Lisa, Sheila E. oder Vanity 6 heute machen, wird es bei den langsameren Songs etwas erträglicher. Die Sehnsuchtsballade „White Caps“ oder das Duett „Tictactoe“, das mit Akustikgitarre und zurückgelehnter Rhythmusgruppe eine wohlige Sonnenuntergangsstimmung erzeugt, sind passables Radiomaterial. Das Abschlussstück dieses eher unter Hobbyprojekt zu verbuchenden Albums stellt dann noch mal einen Lichtblick dar und trägt seinen Titel „Funknroll“ zu Recht. Eine zweite, spannendere Version davon ist auf „Art Official Age“ zu hören, dem stärkeren der beiden neuen Prince-Alben.

Hier zeigt sich der 56-Jährige, der mit einer Dreiaugen-Sonnenbrille auf dem Cover abgebildet ist und abermals von 3rdeyegirl begleitet wird, als stilvoller Verwalter seines sexy-funky Erbes. Zwar flirtet er im zappeligen, leicht eurotrashigen Eröffnungsstück „Art Offical Cage“ kurz mit Sound-Ideen, die in etwa derzeitigen Trends entsprechen, wendet sich dann aber wieder seinem angestammten Klanguniversum zu: Synthesizer und Drummachines, die seit den achtziger Jahren kein Update bekommen haben, treffen auf verführerischen Falsettgesang, zackige Gitarrenlicks und dickbauchige Bässe. Häufig funktioniert das auch noch, etwa bei dem entfernt an „Kiss“ erinnernden „The Gold Standard“ oder dem schon letztes Jahr veröffentlichten „Breakfast Can Wait“, das mit reduziertem Beatgerüst und eleganten Vibrafon-Akzenten überzeugt. Klassischer Prince-Schmelz hat ebenfalls weiterhin seinen Reiz: „You should never underestimate the power of / A kiss on the neck, when she doesn’t expect“, singt er etwa in der feinen Mid-Tempo-Nummer „Clouds“. Eine Gastsängerin begleitet ihn wie noch einige weitere Male auf „Art Official Age“, das zwar deutlich ruhiger angelegt ist als „Plectrumelectrum“, es in Sachen Intensität und Konzentration aber klar übertrifft.

Einige der neuen Songs würden sicher auch live Spaß machen. Vielleicht versucht es Prince ja noch mal mit einem Konzert in der Hauptstadt. Kleiner Tipp: Wenn die Karten weniger als hundert Euro kosten, klappt’s auch mit den Berlinern.

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