Costa-Gavras: "Le Capital" im Kino: Milder Thriller
Der 81-jährige Costa-Gavras schildert das Milieu französischer Privatgeldhäuser. Sein Finanzmarktthriller "Le Capital" kann sich mit den Klassikern des Genres messen.
Costa-Gavras wurde in Arkadien geboren, in Loutra Iraias auf dem Peloponnes, 81 Jahre ist das nun her. Wahrscheinlich war ihm diese Herkunft Verpflichtung: Er widmet seine Filme grundsätzlich den nichtarkadischen Zuständen der Welt. Costa-Gavras' Kino ist ein Enthüllungs- und Anprangerungskino, von „Z“ über die Hintergründe der griechischen Militärdiktatur in den 1960er Jahren zu „Missing“, der den Anteil der USA am Militärputsch in Chile aufdeckt, und bis zu „Die Axt“: Ein arbeitsloser Ingenieur beseitigt brutal seinen Konkurrenten.
Nun hat er – der Film von 2012 kommt jetzt ins deutsche Kino – einen Finanzmarktthriller mit dem ultimativen Titel „Le Capital“ gedreht. Was zählen schon, mag er sich gefragt haben, alle Politverbrechen gegen das größte Verhängnis unserer Welt – das Finanzkapital? Costa Gavras personalisiert es so: Der Chief Executive Officer der französischen Privatbank Phénix bricht zusammen, mitten auf dem Golfplatz, Sekunden vor dem nächsten Schlag. Niemand wusste, dass er Krebs hat, denn Krankheit bedeutet Schwäche, und Schwäche ist etwas, das sich ein CEO nicht leisten kann. Aber einer seiner Mitarbeiter ist insofern der ideale Nachfolger, als ihn niemand auf der Rechnung hat. Marc Tourneuil (Gad Elmaleh) hat für seinen Chef mal ein Buch geschrieben und ist seitdem dessen rechte und linke Hand – sehr geeignet als Interimsmann.
Costa-Gavras filmt aus dem Spalt des Bewusstseins
Costa-Gavras inszeniert die Geschichte kühl routiniert wie einen Hollywoodthriller. Umso wirksamer sind die Szenen, die optisch gar nicht aus dem Rahmen fallen, obwohl sie jeden Rahmen sprengen. Es sind die „Was ich euch schon immer sagen wollte“-Szenen, die „Ich entlasse euch alle“-Szenen. Sie führen das Geschehen einfach weiter, doch dann besinnt sich der Regisseur und benutzt das schöne Mittel, das das wirkliche Leben leider nicht bietet: Er spult ein wenig zurück, lässt den jungen Banker Marc Tourneuil noch einmal reden, diesmal viel sozialverträglicher.
Costa-Gavras filmt mitten aus dem Spalt unseres Bewusstseins, zwischen der Person A, die wir wirklich sind, und Person B, die wir den anderen zeigen. Schlimm wird es, wenn auch noch Person C mitspricht: die, für die uns die anderen halten.
Anders als Jordan Belfort in Martin Scorseses „The Wolf of Wall Street“ ist dieser Marc Tourneuil ein ganz normaler restjunger Mann mit einer ganz normalen restjungen Frau (Natacha Régnier), die nicht versteht, warum er immer mehr Geld verdienen muss. Dabei ist das so einfach: Er muss seiner dritten Person Geltung verschaffen.
Gad Elmaleh ist eigentlich Komiker
In Frankreich schieden sich an Hauptdarsteller Gad Elmaleh die Geister, schon weil man ihn dort nur als Komiker kennt. Aber Gad Elmaleh ist großartig; anders als mancher seiner Kollegen unterspielt er jede Szene. Statt das nächste Buch zu schreiben, taucht der neue Bankchef nun ein in die Welt der Finanzmanipulationen, was vor allem bedeutet: Er wird selber manipuliert. Da ist etwa dieser amerikanische Hedgefonds-Manager mit der „Ich mache hier nur die Arbeit Gottes“-Attitüde (Gabriel Byrne). Doch es kommt der Tag, da Tourneuil dessen Gesicht einfach vom Bildschirm wischt.
Verblüffend auch, wie Costa-Gavras seinen CEO enden lässt – beileibe nicht so schlimm wie Scorsese seinen Jordan Belfort. Vielleicht ist das die Gelassenheit der alten Männer.
Wie also stehen die Aktien? Im Subgenre der neuen Finanzkapitalfilme, vertreten etwa durch die „Wall Street“-Fortsetzung („Geld schläft nicht“, 2010) oder David Cronenbergs „Cosmopolis“ (2012), erweist sich „Le capital“ zwar nicht als der Knüller, aber durchaus als konkurrenzfähig.
fsk am Oranienplatz
Kerstin Decker
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