René Polleschs "Volksbühnen-Diskurs" Teil 2: Mein Kopf auf deinen Schultern
Künstlerische Nützlichkeitsverweigerung. René Polleschs zweiter „Volksbühnen-Diskurs“ ist wieder mehr auf Metaebenen unterwegs als der erstaunlich direkte erste Teil.
„Man stirbt irgendwann, das ist alles“, sagt Martin Wuttke am Ende des jüngsten Pollesch-Abends in der Volksbühne wunderbar trocken. Es ist der zweite Teil seiner Miniserie. „Und bis dahin ist die Frage, ob man ein einigermaßen geschmackvolles Theater gemacht hat.“ Die Volksbühne wird sich da, gesamtlebensleistungsmäßig betrachtet, nichts vorzuwerfen haben, wenn im Sommer nächsten Jahres mit der Castorf-Ära Schluss ist, weil Museumsmann Chris Dercon das Haus übernimmt.
Klar, dass sich René Polleschs Abschiedsdreiteiler, dessen letzter Part mit einigem Abstand im kommenden Frühjahr herauskommen soll, dezidiert mit diesem Ende beschäftigt. Teil eins und zwei des Mini-Zyklus` mit dem Bandwurmtitel „Diskurs über die Serie und Reflexionsbude (Es beginnt erst bei Drei), die das qualifiziert verarscht werden great again gemacht hat etc. Kurz: Volksbühnen-Diskurs“ hatten jetzt in kurzem Abstand Premiere. Und während die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte und dem Castorf-Intendanz-Ende im ersten Teil für Pollesch-Verhältnisse erstaunlich direkt ausgefallen war, ist der zweite jetzt wieder etwas stärker auf Metaebenen unterwegs.
"Das Kollektiv ist Scheiße"
Am Beginn steht allerdings erst mal, ausdrücklich sinnfrei, eine lustige Tanztheater-Gruppenchoreografie auf einer fahrbaren Couch. Freud und Lacan gehören denn auch zu den Stichwortgebern dieses Abends, der schließlich auf einer knackigen Identitätserschütterung basiert. Bereits im ersten Teil hatten Martin Wuttke, Milan Peschel und Trystan Pütter als die „Drei Amigos“ – Reverenz an eine US-Westernkomödie von 1986 – das Gefühl gehabt, im falschen Kostüm und im falschen Bühnenbild angetreten zu sein.
Diesmal nun spricht ein begnadeter Cowboy-Verschnitt sogar zum anderen: „Du hast, glaube ich, meinen Kopf auf deinen Schultern!“ Und der andere erwidert: „Moment mal, das, was du gerade gesagt hast, das ist doch mein Text!“ Es folgen ein paar wirklich sehr bedenkenswerte Einlassungen zum Themenkomplex Selbstverwirklichung und Kollektiv. Quintessenz: „Ich will hier ja nicht unsympathisch wirken, aber das Kollektiv ist Scheiße.“ Und die Selbstverwirklichung übrigens auch.
Dem Nichts sind keine Grenzen gesetzt
Wie schon im ersten Teil steckt das tolle Schauspieler-Trio bei dieser Art von Diskursproduktion in roter Ganzkörperunterwäsche und schlenkert, was man an der Volksbühne natürlich aufs Perfekteste beherrscht, seine Gliedmaßen zwar angemessen individuell, aber in durchaus kollektivem Linkischkeitsbewusstsein zu pompösen Johann-Strauß-Klängen hin und her. Sinnfreier geht es nicht mehr. Die künstlerische Nützlichkeits- und Verwertbarkeitsverweigerung ist das zentrale Thema des Dreiteilers. Da sind dem Nichts praktisch keine Grenzen gesetzt.
Um es mit Martin Wuttke zu sagen: „Es gibt wahrscheinlich nicht einen einzigen unter Ihnen, der mich im selben Sinne versteht. Aber das heißt nicht, dass sich hier jeder was rauspicken kann. Das einzige, was hier jeder kann, das einzig Kommunistische ist: zu genießen, wie ich mich genieße." Voilà.
Nächste Vorstellungen am 29. Oktober und 2. November
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