Der 70. Deutsche Filmpreis: Lolas werden ohne Saalpublikum ausgestrahlt
In der Coronakrise muss auch der Deutsche Filmpreis umdenken. Auf Saalpublikum wird diesen Freitag verzichtet, stattdessen wird es 105 Live-Schalten geben.
Gerade wird hitzig über Geisterspiele in deutschen Fußballstadien debattiert, im Kern geht es dabei auch um die Frage, welche Sparten des Unterhaltungsbetriebs sich als „systemrelevant“ betrachten.Gesellschaftlich gesehen hat der Fußball eine größere Lobby als das Kino, doch eins hat die Filmbranche dem Profisport voraus.
Wenn diesen Freitagabend in der ARD der Deutsche Filmpreis verliehen wird, meldet sich das Kino frühzeitig zurück – auch wenn die Lichttheater vorerst geschlossen bleiben. Erstmals wird die Lola-Verleihung live ausgestrahlt, am angestammten Sendeplatz, aber ohne Saalpublikum.
Die Deutsche Filmakademie, die für die Gala – und die Verteilung der knapp drei Millionen Euro Preisgeld – verantwortlich ist, gibt ihr Bestes, damit die „Geister-Lolas“ ein wenig Lagerfeuer-Atmosphäre versprühen.
Moderator Edin Hasanovic wird sich im Studio in Berlin-Adlershof in einer ungewohnten Rolle wiederfinden, er muss die Show gemäß den Corona-Auflagen alleine bestreiten; mit Sicherheitsabstand werden Staatsministerin Monika Grütters und Akademie-Präsident Ulrich Matthes nach Mitternacht die Hauptpreise verkünden.
Eine Soloshow werden die Lolas 2020 dennoch nicht, dafür haben die Filmakademie und der Partnersender RBB die technischen Voraussetzungen geschaffen. Die Laudatorinnen und Laudatoren, die Nominierten und Preisträger werden live dazugeschaltet.
Das ist ein bescheidenes Format für den Deutschen Filmpreis, ausgerechnet zum 70. Geburtstag. Doch man habe früh eingesehen, dass die Lolas in einem kleineren Rahmen stattfinden müssen, erzählt Akademie-Geschäftsführerin Claudia Loewe am Telefon.
„Mit jeder weiteren Einschränkung haben wir uns unserem jetzigen Konzept angenähert. Dem Sender war es wichtig, dass das, was im Fernsehen zu sehen ist, auch die Lebensverhältnisse der Zuschauer widerspiegelt.“
Nur drei Wochen hatte die künstlerische Leiterin Sherry Hormann Zeit, ein neues Konzept auszuarbeiten. Ein TV-Event mit 105 Live-Schalten, in die Wohnzimmer aller Nominierten, hat es im deutschen Fernsehen noch nie gegeben.
„Das Einzige, an dem wir uns orientieren können,“ erzählt Hormann zwischen zwei Proben, „sind die Corona-Richtlinien, unsere Fantasie und unsere Leidenschaft für den deutschen Film. Wir wollen daran erinnern, was wir gerade nicht erleben können.“ Demut steht gerade höher im Kurs als Glamour. Dennoch dürften die Einschränkungen nicht dazu führen, dass „die Show mickrig aussieht“, ergänzt Hormann.
Man ist zu den Anfängen zurückgekehrt
Vor zwei Jahren legte Edin Hasanovic noch eine Tanzeinlage mit Iris Berben hin. In diesem Jahr bekommt er auf der Bühne lediglich Unterstützung von zwei Hunden und einem DJ, Grammy-Gewinner Gregory Porter wird für ein Geburtstagsständchen aus Los Angeles zugeschaltet. Mehr will Hormann nicht verraten.
Nur so viel: „Wir sind zu unseren Anfängen zurückgekehrt. Das schweißt zusammen.“ Um das Team klein zu halten, mussten Akademiemitglieder bei den Proben als Lichtdoubles einspringen. 1300 Mitarbeiterpässe werden bei der Verleihung des Filmpreises ausgehändigt, dieses Jahr sind es 60.
„Wir haben für Edin ein neues Bühnenbild geschaffen“, meint Loewe, „in dem er sich nicht verloren vorkommt.“
Kultur darf nicht zum Accessoire werden
Doch ohne die Unterstützung das RBB wäre das Unterfangen nicht umsetzbar gewesen. Intendantin Patricia Schlesinger sagt, dass die Filmbranche gerade jetzt ein Zeichen der Solidarität benötige. „Deshalb war für mich klar, wir übertragen in jedem Fall. Meine Entschlossenheit ist in den vergangenen Wochen eher noch gewachsen.“
Die größte technische Herausforderung sind die Live-Schalten, denn „Bild und Ton müssen natürlich fernsehtauglich sein“, erklärt Loewe.
Um reibungslose Übergänge zwischen den Preiskategorien zu gewährleisten, arbeitet der RBB mit vier hintereinandergeschalteten Systemen. Alle Internetverbindungen werden dreifach geprüft, damit das Videobild live nicht plötzlich einfriert.
Hasanovic kommt die Aufgabe zu, dieses Abenteuer so mühelos wie nur möglich erscheinen zu lassen. „Wir arbeiten in einer Branche der Illusionen,“ lacht Hormann. Für die Regisseurin („Wüstenblume“) ist es vielleicht der wichtigste Job ihrer Karriere. Kultur dürfe nicht zum Accessoire degradiert werden, betont sie, bevor sie sich wieder zu den Proben verabschiedet.
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