zum Hauptinhalt

Theater und Flüchtlinge: Lokal, engagiert, empathisch

Was gehen die Flüchtlinge das Theater an? Die Akademie der Künste lädt ein zur Diskussion

Sonntag, auf dem Weg zur Akademie der Künste. Unter der Brücke am Bahnhof Friedrichstraße liegt, wie immer, Roman auf seinem Matratzenlager. Letzte Woche haben wir uns unterhalten. Er ist 26 und kommt aus Estland. Seit zwei Jahren ist Berlin seine Stadt und das hier sein Platz.

Im gläsernen Plenarsaal mit Blick auf die Quadriga ist es schön warm. Ulrich Matthes hat in seiner Funktion als Direktor der Sektion Darstellende Kunst zum Gespräch gebeten: „Was soll das Theater?“ Gekommen sind Intendanten, Schauspieler, Kritiker, Wissenschaftler. Eloquente Selbstverortung steht auf dem Programm. Wieso noch mal? Ach ja, es gibt – immer noch oder schon wieder – diese Legitimationsdebatte. „Viele können mit dem Theater nichts mehr anfangen“, sagt Matthes. Das höre er oft, auch von gebildeten Zeitgenossen.

Zum Glück sind jetzt die Flüchtlinge da. Nein, pardon, so kann man das natürlich nicht formulieren, das wäre zynisch. Dennoch ist sich das Podium erstaunlich einig: Theater hat in diesen Zeiten einen wichtigen gesellschaftlichen Auftrag. Man solle zusätzliche Leute einstellen, fordert Hortensia Völckers, Direktorin der Kulturstiftung des Bundes, „und dann in die Schulen gehen!“ Vermittlung und Identitätsbildung heißen die Zauberworte. Und hyperlokal sollte der Ansatz außerdem sein. „Jedes Theater braucht Profil und Haltung“, betont Burkhard C. Kosminski, Intendant in Mannheim. Sein Team arbeitet mit Bürgern und Flüchtlingen an ambitionierten Langzeitprojekten. Das örtliche Publikum dankt es mit hoher Auslastung.

Ist das die Zukunft? Das Stadttheater erneuert sich in Richtung sympathisch-empathische Bildungs- und Integrationsanstalt? Das Deutsche Theater (DT) stellt seit Monaten Schlafplätze für Flüchtlinge zur Verfügung. Das Staatsschaupiel Dresden betreibt ein Flüchtlingscafé. Am Theater könne man „Gedanken und Werte übermitteln“, meint DT-Schauspieler Christian Grashof. „Die neuen Aufgaben gebären neue ästhetische Formen“, ergänzt Wilfried Schulz, Intendant in Dresden. Trotzdem warnt er auch: „Alles, was wir an sozialer Arbeit tun, passiert on top.“ Auf Dauer sei das nicht leistbar.

Zwischendurch gerät der fast fünfstündige Abend dann noch mal auf ganz andere diskursive Gleise. Schauspieler Ernest Allan Hausmann beklagt, dass es in den Ensembles der deutschen Theater fast keine „People of Colour“ gebe. Und wenn, dann würden ihnen immer nur die gleichen drei Rollen angeboten. Das Theater müsse auch hinter den Kulissen diverser werden, wenn es die gesamte Gesellschaft repräsentieren wolle. Genervter Zwischenruf aus dem Publikum: Wo das Thema der Veranstaltung bleibe? „Wenn Sie nicht verstehen, dass auch das zum Thema gehört, dann tut es mir leid!“, erwidert Gastgeber Matthes.

Langzeitprojekte mit Team, Bürgern und Flüchtlingen. Blick auf den Eingangsbereich des Nationaltheaters in Mannheim.
Langzeitprojekte mit Team, Bürgern und Flüchtlingen. Blick auf den Eingangsbereich des Nationaltheaters in Mannheim.
© Uwe Anspach/dpa

Zur Startseite