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Beifall. „Deutschland ist für uns: Warten und Papier“, sagen die Mädchen.
© P. Müller

Junge Flüchtlinge auf der Bühne: Abschiebung nach der Theaterpremiere

Geflüchtete Mädchen haben das Stück „Alice im Wunderland“ entwickelt. Nach der Theaterpremiere in Wedding werden vier von ihnen abgeschoben.

Im Saal ist es dunkel. Eine Tür geht auf, knallt zu. Dann wieder. Stirnlampen leuchten in Gesichter, das Licht gleitet über Wollpullis, Kleinkinder und Kopftücher. Mädchen in schwarzen Kapuzenpullovern schreien: „Grenze! Border! Alhudud! Passaporte! Ausweis!” Sie durchqueren den Raum und verschwinden hinter einer Tür. Zurück bleibt die schwarze Stille. Es könnte eine Asylunterkunft im spanischen Melilla sein oder das Camp im österreichischen Spielberg.

Aber das hier ist keine Grenze, sondern der Theatersaal im Haus der Jugend im Wedding. Fünf geflüchtete Mädchen aus Syrien, Bosnien und Albanien stehen an diesem Abend in „Alice im Wunderland” auf der Bühne. Das Stück haben sie selbst entwickelt, es gehört zur Theaterinitiative HERMES des Straßensozialarbeit-Projektes „Gangway“. Rund sechzig Zuschauer sind gekommen.

Flucht vor dem Alltag

Aus dem Dunkeln heraus flimmert ein Handyvideo über die Leinwand: Jemand flüchtet durch den Wald, Zweige knacken unter Turnschuhen, kleine Büsche knicken um, es geht über einen Baumstumpf, weiter ins Dickicht. Das Handy wackelt, dann kippt das Bild. Schnitt: Auf der Leinwand erscheint das Gesicht einer jungen Frau, eingerahmt von einem Kopftuch, schwarzer Kajal um die Augen. Eine Stimme fragt: „Wie heißt du?“ „Ich heiße Amal, ich komme aus Syrien, aber ich bin Palästinenserin.“ Schnitt: „Ich heiße Fatima, ich will Ärztin werden“. Schnitt: „Ich heiße Havere, ich komme aus Albanien.“ Schnitt: „Ich heiße Sedina, ich bin seit drei Monaten in Deutschland.“ Schnitt: „Ich heiße Tamara, ich bin Schauspielerin.“

Die fünf Mädchen kommen aus der Flüchtlingsunterkunft AWO – Refugium Pankstraße: Eine Erstaufnahmestelle, 150 Bewohner, Mehrbettzimmer, kaum Privatsphäre. „Wenn die Welt so keinen Sinn macht, warum nicht ganz einfach eine andere erfinden?“, schreibt Louis Carroll, der Autor von Alice im Wunderland. Das Mädchen Alice rutscht durch einen Kaninchenbau in ein verrücktes Land voller sprechender Eier und Spielkartenkönigen.

Auch die Arbeit am Theaterstück war für die Mädchen Flucht vor dem Alltag, der Traurigkeit, den Registrierungsnummern und Bearbeitungsvorgängen. Doch anders als bei Alice, holt die Realität die Schauspielerinnen immer wieder ein. Die Proben mit den Sozialarbeiterinnen Katrin Zimmer und Banu Kücük gingen im April dieses Jahres los.

Alice muss das Wunderland verlassen

Damals waren sie mehr als fünf. Doch schon nach der ersten Probe wurden zwei von ihnen abgeschoben. Die Angst davor begleitet sie bis zur Premiere des Stücks und darüber hinaus. Auf der Bühne sagen sie im Chor: „Deutschland bedeutet für uns: Warten und Papier.“

Während der Proben machen sie Witze: Wenn sie vor der Premiere abgeschoben werden, muss Amal das Stück alleine aufführen. „Vier von den Mädchen werden wohl in einem Monat nicht mehr da sein, weil sie aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten kommen“, sagt Sozialarbeiterin Kücük.

Alice muss das Wunderland verlassen. Doch noch stehen sie gemeinsam dort oben. Recken ihre Faust in die Luft, während Nick Kamen aus den Boxen singt: I promise the world to you. Dann regnet es Konfetti.

Pascale Müller

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