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Matt Dillon als Serienmörder mit einem seiner Opfer (Riley Keough).
© Cannes Festival

Cannes Tagebuch (7): Lars von Trier kehrt mit brutalem Film nach Cannes zurück

Spike Lee übt mit „BlackkKlansman“ Kritik an Trump, Lars von Trier porträtiert einen kunstbegeisterten Serienmörder – und sorgt für schockierte Gäste.

Mit ein paar Dingen kann man sich in Cannes in diesem Jahr leicht allgemeiner Zustimmung vergewissern. Zum Beispiel, dass die neue Regelung, die Abend-Pressevorführung parallel zur Gala-Premiere abzuhalten, doch nicht so schlecht ist wie befürchtet. Auch auf Cate Blanchett als beste Jury-Präsidentin ever können sich alle einigen. Und natürlich darauf, dass Trump ein gefährlicher Irrer ist. In Frankreich haben sie die entwürdigenden Bilder von Emmanuel Macrons Staatsbesuch in Washington noch nicht vergessen.

Spike Lee macht es sich in seinem Film „BlacKkKlansman“ etwas zu leicht mit den Lachern auf Kosten des amtierenden US-Präsidenten. Dabei ist der wahre Hintergrund schon irre genug: In den 70er Jahren ermittelte der schwarze Polizist Ron Stallworth, gespielt von Denzels Washingtons Sohn John David, undercover im Colorado-Ableger des Ku Klux Klan; zu den Treffen erscheint Rons jüdischer Partner Flip Zimmerman (Adam Driver). Spike Lee hat seine wütendsten, aber auch komischsten Filme über den amerikanischen Rassismus gemacht („Do the Right Thing“, „Bamboozled“), doch vielleicht ist der jetzige Zeitpunkt einfach zu sensibel für satirischen Furor.

Spike Lee erhebt sich moralisch über seine eigenen Bilder

Vielleicht braucht man in Amerika gerade eher nüchterne Bestandsaufnahmen wie „Get Out“ von Jordan Peele (der zu den Produzenten von „BlackkKlansman“ gehört). Jedenfalls spielt Lee auf Nummer sicher, der Film könnte dringend eine Infusion der aggressiven, mitunter manischen Energie seines Musicals „Chi-Raq“ über die amerikanische Gang-Gewalt vertragen.

Stattdessen setzt er auf das bewährte Format der Buddy-Komödie, die Washington und Driver auch launig runterspielen. Aber so richtig wütend wird „BlacKkKlansman“ erst am Schluss, wenn Lee seinem Film Nachrichtenbilder von Klan-Führer David Duke (im Film: Topher Grace), von Charlottesville und natürlich Donald Trump anhängt. Da erhebt sich der Regisseur moralisch über seine eigenen Bilder, die doch für sich sprechen sollten. Den Beifall des Gala-Publikums gibt’s gratis dazu.

Lars von Trier dagegen ist ein Regisseur, der wohl jeden Kritiker, der eine Vorführung seines Films vorzeitig verlässt, gerne mit Handschlag verabschieden würde. Die Rückkehr des Dänen an die Croisette, sieben Jahre nach dem Zerwürfnis mit Festivalleiter Thierry Frémaux wegen eines kindischen Nazi-Spruchs, ist die größte Sensation neben Terry Gilliams mythischem Don-Quixote-Film zum Abschluss.

Und von Trier enttäuscht seine Fans und Verächter nicht: Während der Premiere von „The House That Jack Built“ verlassen über 100 Gäste die Vorstellung. Bad Boy Lars did it again!

Kalkulierte Provokationen, die nicht mehr so verstörend wirken wie früher

Matt Dillon spielt einen Ingenieur und Serienmörder, der in den 70er Jahren im Norden der amerikanischen Westküste das perfekte Kunstwerk schaffen will. Die Struktur ist von „Nymphomaniac“ übernommen, Stellan Skarsgårds Rolle des Beichtvaters übernimmt diesmal Bruno Ganz. „The House That Jack Built“ läuft als innerer Dialog ab, in dem Jack die fünf prägendsten Morde seiner Laufbahn berichtet.

Dass alle Opfer Frauen sind (darunter Uma Thurman und Riley Keough), entgeht auch Bruno Ganz nicht. Er fungiert als moralische Instanz mit einer klaren Agenda, indem er einen merklich grinsenden von Trier noch einmal mit allen gegen ihn und sein Werk gehegten Anschuldigungen konfrontiert. Die Eigenschaften eines selbsterklärten Regie-Genies ähneln nicht von ungefähr denen eines Psychopathen: Dillon hält diese auf Texttafeln fest und in die Kamera, wie Bob Dylan im Video zu „Subterranean Homesick Blues“.

Von Triers kalkulierte Provokationen (eine Brustverstümmelung, Kindermorde) wirken am Ende jedoch weniger verstörend als in seinen früheren Filmen. Auch wenn die Idee, einen Serienmörder über Motive aus der nicht minder grausamen Kunstgeschichte zu erklären, einen gewissen Reiz hat. Im Gegensatz zu Spike Lees zweifellos rechtschaffener Moral ist die krude Moral von Triers wenigstens ein guter Witz.

Andreas Busche

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