Nazi-Eklat in Cannes: Lars von Trier - die Unperson
Lars von Trier war bislang nicht als Antisemit bekannt. Nach seinen verstörenden Einlassungen bei einer Pressekonferenz wurde er in Cannes zur Persona non grata erklärt. Das Blitzurteil signalisiert: null Toleranz für Antisemitismus.
Es ist eine Tragödie für den großen Künstler und hochlabilen Menschen Lars von Trier. Es ist eine Tragödie für seinen durchaus preiswürdigen Film „Melancholia“, seinen bereits neunten in Cannes. Und es ist ein schmerzhafter, aber notwendiger Befreiungsschlag des Festivals, der inzwischen alle eigentlich filmischen Ereignisse überschattet. Nach Lars von Triers verstörenden Einlassungen bei der Pressekonferenz am Mittwoch, die in der Äußerung „Okay, ich bin ein Nazi“ gipfelten, ist er am Donnerstag „mit sofortiger Wirkung“ zur Persona non grata erklärt worden.
Die Entscheidung des Verwaltungsrats ist beispiellos in der 64-jährigen Geschichte des bedeutendsten Filmfests der Welt. Offenkundig genügte dem obersten Gremium die bloße Entschuldigung nicht, die die Festivalspitze dem dänischen Filmemacher bereits am Mittwoch abverlangt hatte und die er in Branchenblättern reuig wiederholte: „Ich bin weder Antisemit, noch habe ich rassistische Vorurteile, noch bin ich ein Nazi.“ Nun darf Lars von Trier am Sonntag nicht einmal mehr die Goldene Palme entgegennehmen, sofern die Jury um Robert de Niro sie ihm noch zusprechen sollte.
Vor allem aber signalisiert das Blitzurteil: null Toleranz für Antisemitismus. Auch und gerade bei 100 Prozent Prominenz. Bereits am Mittwochabend hatte der Europäische Jüdische Kongress in Paris Konsequenzen wie im Fall Galliano angemahnt. Im Februar war der Modeschöpfer John Galliano von Dior gefeuert worden, weil er in einer Pariser Bar mit antisemitischen Pöbeleien aufgefallen war. Nicht vergessen auch die schwere Entgleisung Mel Gibsons, der 2006 einen Polizisten bei einer Alkoholkontrolle als „Drecksjuden“ beschimpft hatte.
Lars von Trier dagegen, der wegen seiner provokanten Filme mitunter für einen Frauenhasser gehalten wird, war bislang nicht als Antisemit bekannt. Im Gegenteil: Dass er bei der Pressekonferenz zunächst sagte, er habe sich früher für einen Juden gehalten, hat familiäre Wurzeln. Erst auf dem Sterbebett 1989 sagte ihm die Mutter, sein leiblicher Vater sei nicht der vor den Nazis nach Schweden geflohene dänische Jude Ulf Trier, der ihn aufgezogen hatte. Sondern ein Deutscher.
Die Folgen dieses Schocks, den Lars von Trier mit 33 Jahren erlitt, überschatten nun auch seinen Ruhm. Und wie bitter mag er nun über den Regisseurskollegen Emir Kusturica denken? Den erklärten Großserben und Karadzic-Verehrer hat das Festival in diesem Jahr in die Nebenreihe „Un Certain Regard“ eingeladen – als Jury-Präsident.
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