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Der Cavaliere (Toni Servillo) und Ehefrau Nummer zwei, Veronica Lario (Elena Sofia Ricci).
© Gianni Fiorito/DCM

Satire über Silvio Berlusconi: Keiner vergöttert mich besser als ich

Bunga-Bunga-Folklore: Paolo Sorrentinos pompöse Satire „Loro“ lässt Silvio Berlusconi privat und politisch scheitern.

Der italienische Regisseur Paolo Sorrentino hat eine Satire über Silvio Berlusconi gedreht. Und wie sollte die auch anders losgehen als mit Bunga-Bunga-Folklore? „Loro“ erklärt gleich in seiner Eröffnungssequenz mit hohem Einsatz an Handwerkskunst und Zeit zwei Grundregeln dieser Welt. Unschuldslämmer werden kalt gemacht, ganz wörtlich nämlich mit einer von Geisterhand gesteuerten Klimaanlage. Und unwillige Amtsträger werden gefügig gebumst.

Als Diagnose der politischen Kultur Italiens ist das nicht besonders überraschend, viel mehr hat Sorrentino in den folgenden 145 Minuten allerdings auch nicht zu bieten. Abgesehen natürlich von „Lui Lui“, also er², wie Berlusconi anfangs ehrfürchtig genannt wird. Toni Servillo, der zum wiederholten Mal mit Sorrentino arbeitet, hat zusammen mit den Maskenbildnern einen Eins-a-Job geleistet, um die Grinsefratze Berlusconis zu imitieren. Der Verbrauch an Material, Menschen und Selbstbräuner ist, wie immer bei Sorrentino, verschwenderisch.

Paolo Sorrentino inszeniert sich im europäischen Kino – mit einigem Erfolg seit dem preisgekrönten „La Grande Bellezza“ – als Wiedergänger Federico Fellinis. Ein Leinwandvirtuose, der vor lauter Großkunstwillen nie die Kamera stillhalten kann. Eine auftrumpfende Plansequenz reiht sich an die nächste atemberaubende Massenchoreografie, ergötzt sich am Pomp der eigenen Bildgewalt.

Abgesang auf einen Untoten

Auch in „Loro“ klotzt er von Anfang an, nähert sich seinem Protagonisten aber nur langsam. Der Film geht den Umweg über einige Emporkömmlinge zwischen Immobilienbranche und Escortservice, die bereit sind, sich mit Kokain und willigen Körpern komplett zu ruinieren, um in die Einflusssphäre Berlusconis zu gelangen. Dabei gibt der Cavaliere selbst ein eher trauriges Bild ab. Die Handlung setzt im Jahr 2006 ein, Berlusconi hat gerade seinen Posten als Premierminister verloren. Er steckt in einer Ehekrise und wird mit Enthüllungen konfrontiert.

In Italien kam „Loro“ als Zweiteiler in die Kinos, als sich gerade die rechtsnational-linkspopulistische Allianz, die Italien heute regiert, formierte. Berlusconis Partei Forza Italia schien ausgebootet. Horror-Meister Dario Argento bezeichnete Forza Italia in einem Interview unlängst als „Zombiepartei“. Sorrentinos Film mutet also in zweifacher Hinsicht an wie ein Abgesang auf einen Untoten – und will zugleich als Symbolbild einer ganzen Gesellschaft verstanden werden. Das signalisiert schon der Titel: „Loro“ ist im Italienischen die dritte Person Plural. Sie.

Doch Sorrentino tritt nicht nach, er wählt eher einen Ansatz zwischen Empathie und Maskerade. Dottore Silvio betritt erstmals in grotesker Verkleidung das Bild: im Aufzug einer orientalischen Braut, die einsam über das Anwesen an der Küste Sardiniens wandelt. Später sieht man ihn als verlassenen Ehemann, erfolglosen Verhandler, gescheiterten Verführer. Und schließlich als Selbstvergötterer, der am politischen Geschehen nur so weit interessiert ist, als es sein gekränktes Ego und dessen Wiederherstellung betrifft. Das dominierende Gefühl dieses Films ist die Enttäuschung.

Diese Grundstimmung konterkariert Sorrentino durch die Wahl seiner filmischen Mittel. Er spult die Szenen in seinem Trademark-Modus ab: Serialität und Überwältigung. Ein bedeutungsschwangeres Bild folgt auf das nächste, begleitet von Dialogen, die mit zunehmender Dauer immer hölzerner werden. Ob es Müll regnet oder Ecstasy: Für Sorrentino machte es visuell keinen Unterschied. Es ist lediglich ein weiterer Anlass, um in CGI-Phantasmagorien zu schwelgen.

Die Leidtragenden kommen nur am Rand vor

Überaffirmation ist ein ästhetisches Mittel, das in den Neunzigern durchaus produktiv war – in jener Zeit also, in der Berlusconi das politische Spielfeld betrat. „Loro“ macht hingegen gänzlich unfreiwillig deutlich, dass diese Zeit endgültig vorbei ist. Mit Überzeichnung ist dem Phänomen Berlusconi kaum beizukommen. Diese anachronistische Strategie taugt nicht für die Entzauberung dessen, das ohnehin immer augenscheinlich war. Ein Silvio Berlusconi – oder auch ein Donald Trump – wird nicht etwa gewählt, obwohl, sondern weil er so ist, wie er ist.

Mit den Trümmern, die dieser Befund hinterlässt, müssen sich dann eben „loro“ herumplagen: die Leidtragenden unter Berlusconi, die bei Sorrentino nur am äußersten Rand vorkommen, nämlich eigentlich erst im Abspann. Und an denen der Regisseur auch kein sonderliches Interesse mehr zeigt.

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Arno Raffeiner

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