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Im Visier. Dario Argentos Kamera ist extrem beweglich.
© Drop-Out Cinema

Dario Argentos „Terror in der Oper“: Der Killer und die Coole

Nach 30 Jahren kommt Dario Argentos Giallo-Klassiker „Terror in der Oper“ in die deutschen Kinos. Angesichts heutiger Horrorfilme kein Schocker, aber ein visueller Genuss.

Unverschämte Raben! Mitten auf der Bühne der Mailänder Scala flattern und krächzen sie, während die Diva bei der Generalprobe ihre Arie schmettert. Der Regisseur hat die Viecher extra angefordert, um seiner Inszenierung einen morbiden Pep zu geben. Doch der Star spielt nicht mit. Zeternd tritt sie den Rückzug an – und läuft auf der Straße vor ein Auto. Die Chance für Nachwuchsdiva Betty (Cristina Marsillach), die die Herausforderung annimmt. Dafür wird sie fortan von einem Mörder mit Maske gejagt.

Es ist so weit. Dario Argentos trotz massiver Kürzungen bis vor Kurzem indizierter Giallo-Klassiker „Terror in der Oper“ erlebt nach 30 Jahren seinen deutschen Kinostart. Wie in Argentos besten Filmen gibt es auch hier sadistische Mörder, viel Blut und eine luxuriöse Ausstattung. Alles zusammen lässt einen vor Opulenz (selten vor Angst) erschauern. Da darf man auch nicht spitzfindig nach Logiklöchern in der Story suchen oder mit der Frage kommen, wieso die wunderschön – zur Musik von Brian Eno, Maria Callas und Bill Wyman – durch Gänge, Türen, und Häuser flüchtende Kamera eigentlich ständig den Blickpunkt ändert. Beim Maestro des Horrorfilms ist visueller Genuss Trumpf. Und eine solch bewegliche, neugierig machende Fotografie, die das Szenario fast wie eine Skulptur formt, hat es im Kino selten gegeben.

Aus heutiger Sicht ein niedlicher Retroschauer

Betty bleibt – im Gegensatz zum Klischee des final girl, der letzten Überlebenden im Horrorfilm – während der wiederholten Begegnungen mit dem Killer erstaunlich gefasst, fängt sich in Sekundenschnelle wieder und ist insofern fast eine moderne Heldin im Stil von Milla „Resident Evil“ Jovovich. Das surreale Finale in den Schweizer Bergen, deren Schönheit im krassen Gegensatz zur fiesen Geschichte steht, darf hier selbstredend nicht verraten werden.

Bettys Mit- und Gegenspieler halten ebenfalls einige Geheimnisse bereit: Der zu früh verstorbene Ian Charleson spielt den Theaterregisseur, dessen Faible für das Horrorgenre sich in geradezu Schlingensief‘scher Requisite ausdrückt. Und der nie wirklich über das Genre hinaus erfolgreiche Urbano Barberini gibt den viel zu gut aussehenden Polizisten, der anfangs mit einer Rose vor Bettys Garderobe steht. Die FSK hat die Indizierung neu geprüft und den Film nun ab 16 Jahren eingestuft. Eine vernünftige Entscheidung. Angesichts einer Welle von neumodischem Torture-Porn-Horror ist „Terror in der Oper“ ein geradezu niedlicher Retroschauer.

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