Moschee in Paris: Islamisch fromm und offen schwul
Muslim und homosexuell - dass das geht, will eine kleine Moscheegemeinde in Paris zeigen. Sie hat eine liberale islamische Tradition hinter sich, die später verhärtete. Unter westlichem Einfluss.
In Paris hat vor einer Woche die erste Moschee eröffnet, die ausdrücklich Homosexuellen und Transgender offensteht. Ein Novum zwar nicht weltweit, schreibt die französische Tageszeitung „Le Monde“. „Inklusive“ muslimische Gotteshäuser existierten schon in den USA, Kanada und Südafrika. Doch für Europa ist das neu. Die Gemeinde ist nach Angaben ihres Gründers Ludovic-Mohamed Zahed noch winzig, sie hat nur 35 Mitglieder. Das könne sich aber rasch ändern, hofft er. Er hat vor zwei Jahren mit sechs Mitstreitern die Vereinigung „Homosexuels musulmans de France“ gegründet, die inzwischen 325 Köpfe zählt. Er selbst, sagt Zahed, habe sich beim Gebet in der Pariser Großen Moschee immer zu Hause gefühlt. Aber selbst in der Anonymität der Menge falle Anderssein, etwa von Transsexuellen im Verlauf der Geschlechtsumwandlung, sofort auf. Ihnen will er einen entspannten Gebetsort bieten.
Islam und Homosexualität, das geht nach Meinung vieler gar nicht zusammen. Als vor ein paar Jahren in Berlin junge Migranten Schwule angriffen, wurde viel über mögliche kulturelle und religiöse Hintergründe diskutiert. Zahed bestreitet, dass es diesen religiösen Hintergrund gibt: „Homosexualität wird nirgendwo verurteilt, weder in der Sunna noch im Koran. Würde der Prophet Mohammed heute leben, würde er homosexuelle Paare verheiraten.“
Damit steht er nicht allein: Zwar handelt auch die muslimische Tradition von „liwat“, etwa dem, was im Christentum als Sodomie verdammt wird, also jede Form von Sexualität, die Zeugung ausschließt. Entsprechende Hadithe, Prophetenworte, hat aber schon im Mittelalter der bedeutende andalusische Gelehrte Ibn Hazm als nicht immer authentisch verworfen. Auch die schöngeistige klassische arabische Literatur spricht eine andere Sprache; dort gibt es viel und positiv bewerteten mann-männlichen Sex. Und islamische Rechtsdebatten problematisieren zwar den homosexuellen Akt, stellen aber gleichgeschlechtliche erotische Anziehungskraft nicht in Frage.
Aber wie allem andern setzen die Zeiten auch den Religionen zu – was Fundamentalisten jeder Konfession am liebsten leugnen, mindestens aber zurückdrehen wollen. Im Falle des Islam wurde die Sicht auf Sexualität in den vergangenen 150 Jahren paradoxerweise viktorianisch-prüder, sexuelle Handlungen wurden zunehmend in gut und schlecht eingeteilt. Am Anfang stand dabei wohl auch der Wunsch, sich gegen das koloniale Klischee vom lüsternen Orient zu wappnen und die Vielfalt von Sexualität streng zu regulieren, ja gar nicht erst Debatten zuzulassen – grausame Verfolgung von Homosexuellen eingeschlossen.
Frankreichs muslimische Gemeinde ist von der Schwulen-Moschee jedenfalls nicht begeistert: Man verurteile Homosexuelle nicht, aber Zaheds Initiative sei „außerhalb der Gemeinschaft“, meint Dalil Boubakeur, der Rektor der Pariser Großen Moschee. Und Abdallah Zekri vom Französischen Rat der Muslime CFDM sagte „Le Monde“: „Sicher, es gibt homosexuelle Muslime, aber eine Moschee zu eröffnen, das ist eine Abirrung.“
„Abirrung“ – klingt das nicht wie aus dem Wörterbuch des Vatikans?
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