Die Kritiker-Empfehlungen für den Herbst: Im Schatten von Trump
30 Comic-Kritikerinnen und -Kritiker haben wieder ihre Favoriten gewählt. Der Sieger reflektiert die Spaltung der USA.
Es ist das Buch zur Zeit: In seiner Graphic Novel „Ausnahmezustand“ (Reprodukt, 216 S., 24 €) erzählt der US-Amerikaner James Sturm am Beispiel einer Familie von der tiefgreifenden Spaltung der US-Gesellschaft. Dabei reflektiert er in ruhigen, großformatigen Bildern und mit durch Tierköpfe verfremdeten Figuren auch die Erschütterungen, die der politische Aufstieg von Donald Trump mit sich gebracht hat.
Sturms hierzulande kurz vor der aktuellen US-Wahl veröffentlichten Buch hat auch viele deutsche Leser angesprochen: „Ausnahmezustand“ ist jetzt von einer Jury von 30 Kritikerinnen und Kritikern zum besten Comic des Quartals gewählt worden.
Die Kritikerliste präsentiert der Tagesspiegel seit knapp zwei Jahren in Zusammenarbeit mit dem Fachmagazin Buchreport, der Website Comic.de und dem Kulturradio vom rbb. Alle drei Monate wählen die Beteiligten, die für Zeitungen, Fernseh- und Radiosender oder Websites arbeiten, ihre Favoriten unter den aktuellen deutschsprachigen Neuerscheinungen aus.
Auf Platz zwei landete eine der originellsten und witzigsten Literaturadaptionen der jüngeren Zeit: Nicolas Mahlers „Ulysses“ (Suhrkamp, 287 S., 24 €). Dafür hat sich der Wiener Meister des absurden Humors sehr großzügig bei der Vorlage von James Joyce bedient.
Ein autobiografischer Comic, der vor dem Hintergrund der deutschen Wiedervereinigung spielt, landete auf Platz drei: „Im selben Boot“ (Schreiber & Leser, 160 S., 22,80 €) der in Frankreich lebende deutsche Zeichnerin Wiebke Petersen alias Zelba, die hier ihre Jugend als Profi-Rudersportlerin aufarbeitet.
„Rocky Beach“ (Kosmos, 200 S., 25 €) ist die originelle Fortsetzung der Jugendbuchserie „Die drei ???“. Christopher Tauber und Hanna Wenzel malen sich in dem Buch im Crime-Noir-Stil aus, wie die jugendlichen Helden der Detektivreihe als Erwachsene agieren würden. Das Ergebnis wählte die Jury auf Platz vier.
Die autobiografische Erzählung „Bei mir zuhause“ (Jaja, 612 S., 35 €), in der Paula Stulin neben ihrem Leben als Dreißigjährige auch aktuelle politische und soziale Diskurse reflektiert, wurde von der Jury auf Platz fünf gewählt.
Auf Platz sechs landete die fünfbändige Science-Fiction-Serie „Astra – Lost in Space“ (Egmont, je 208 S. S., je 7,50 € €). Darin erzählt der Japaner Kenta Shinohara darin von der Weltraum-Odyssee einer Schülergruppe.
Ein dokumentarischer Comic landete auf Platz sieben: In „Die Bombe“ (Carlsen, 472 S., 42 €) rekonstruieren die Szenaristen Alcante und Laurent-Frédéric Bollée zusammen mit dem Zeichner Denis Rodier akribisch die Hintergründe des US-Atomwaffenprogramms und der Bombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki.
In der dystopischen Comicerzählung „The End“ (Schreiber & Leser, 96 S., 19,80 €) des Schweizer Zeichners Zep erobert sich die Natur den Planeten zurück, die Pflanzen nehmen Rache am Menschen. Das vom Bestseller „Das geheime Leben der Bäume“ Öko-Thriller landete auf Platz acht der Kritikerliste.
Eine problematische Vater-Sohn-Beziehung steht im Zentrum des autobiografischen Comics „Vatermilch“ (Carlsen, 128 S., 20 €) von Uli Oesterle, dessen erster Band auf Platz neun gewählt wurde. In „Die Irrfahrten des Rufus Himmelstoss“ lässt der Münchener Zeichner seine Leser abwechselnd am Leben des Vaters im Jahr 1975 und dem des erwachsenen Sohnes 30 Jahre später teilhaben – die mehr verbindet, als es dem Autor lieb ist.
Inspiriert von George Orwell erzählen die Franzosen Xavier Dorison und Félix Delep in ihrer Fabel-Reihe „Schloss der Tiere“ (Splitter, 72 S., 17 €) von einer Diktatur im Tierreich, gegen die eine mutige Katze sich auflehnt. Die Jury wählte den Auftaktband auf den zehnten Platz ihrer Bestenliste.
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