Ralph Schwingel gibt auf: "Hier hätte auch Jesus Christus keine Chance"
Die Berliner Film- und Fernsehakademie DFFB kommt nicht zur Ruhe: Im Dauerkonflikt um die Berufung eines neuen Chefs gibt nun der Kandidat Ralph Schwingel auf. Im Interview spricht er über die Gründe.
Herr Schwingel, Sie ziehen sich als Bewerber um die Leitung der Deutschen Film- und Fernsehakademie zurück. Das Verfahren mit harter Frontstellung zwischen den Studenten und dem Kuratorium ist seit Wochen in der öffentlichen Diskussion. Gab es für Ihren Schritt einen letzten Auslöser?
Der letzte Auslöser war das gestrige interne Treffen zwischen Dozenten und Studenten. Diesen schönen konstruktiven Impuls, den die Dozenten angeregt hatten, musste ich noch abwarten. In einer idealen Welt hätte das die Fortsetzung des Gesprächs vom letzten Montag bedeutet, mit der Hoffnung, gewissermaßen aus dem Keller rauszukommen. So wie das Treffen verlaufen ist und mir glaubwürdig geschildert wurde, war das nicht möglich.
Bei der Begegnung mit den Dozenten und Mitarbeitern letzten Montag in einem Kellergang des Filmhauses hatten Sie gesagt, Sie geben nur auf, wenn Sie spüren, dass Sie hier keinen Baum pflanzen können.
Diese Einsicht ist mir jetzt eindrücklich zuteil geworden. Ich kann dort im Moment nichts ausrichten, und ich glaube, das würde auch für andere sehr schwer. Da hat sich vieles derart zusammengebraut, dass es ganz schwer ist, den Knoten jetzt zu lösen.
Wie viele Dozenten und wie viele der 200 Studenten waren gestern dabei?
Rund 20 Dozenten, die auch eingeladen hatten, und um die 25 Studenten.
Ist das jener harte Kern, der letzte Woche bei Ihrem ersten Begegnungsversuch die Aufzüge des Filmhauses blockierte?
Von den vertretenen Positionen her sieht es ziemlich danach aus.
Wie stehen Sie zum massiven Willen der Studenten, ihren Kopf durchzusetzen?
Ein Regisseur, der bei mir als dem Produzenten nicht auf den Tisch haut, taugt wahrscheinlich nichts. Sicher gibt es, enkodiert in das Filmemachertum, ein Maß von Eigensinn, das da zu Recht hingehört – aber mit der Zeit sollte Common sense hinzukommen. Der Eigensinn an der Akademie nährt sich aus zwei Quellen: dem seltsam unhinterfragten Fundament des Filmens aus der Kunst und aus dem Widerstand heraus. Und aus der wütenden Missstimmung, die sich eingestellt hat. Einige der Gründe dafür kann man durchaus nachvollziehen.
Eine Studentin sagte letzte Woche: Wir wollen unseren Direktor selber bestimmen.
Das ist wirklich Quatsch. Wo führt das hin? Dann entsteht ein Direktor von Studenten Gnaden. Was soll denn der oder die groß machen bei wichtigen Entscheidungen? Eine Drittelparität wäre vielleicht denkbar, aber nicht in der jetzigen schwierigen Lage. Dafür braucht man ein demokratisches Urvertrauen, ein gemeinsames Streben nach der besten Lösung, auf die Gefahr hin, dass man sich auch mal anschreit. Wie beim Filmemachen.
Hat die einstweilige Anordnung, beantragt letzten Montag von der im Bewerbervorfeld unterlegenen Favoritin der Studenten, Sophie Maintigneux, eine Rolle bei Ihrer Entscheidung gespielt?
So ungelegen kam die mir damals gar nicht. Ich fand es ganz gut, dass ich nicht gleich sagen musste, hopp oder topp, auch um Zeit für den diskursiven Ansatz zu gewinnen. Von Kuratoriumsseite hätte ich mir eine etwas raschere Gegenrede gewünscht, zumal man sich dort der eigenen Sache zumindest juristisch doch einigermaßen sicher war. Aber entscheidend war das für mich jetzt nicht.
Ist es richtig, dass Ihre Bewerbung schriftlich rückdatiert worden ist auf September?
Es ist richtig, dass es ein solches Papier gibt. Es war ein Entwurf, der versehentlich verteilt worden ist. Ich fand es trotzdem extrem unglücklich.
Was müsste passieren, damit die Akademie aus der Sackgasse herauskommt?
Ein sehr guter Freund, Alumnus der Akademie, hat mir gesagt: Mach dir nichts draus, hier könnte nicht mal Jesus Christus was ausrichten. Wer soll jetzt den weißen Ritter geben? Allenfalls jemand mit extremer auch künstlerischer Strahlkraft, der mit übermenschlich rettender Geste zu Hilfe eilt und sagt: Bevor hier alles in Schutt und Asche fällt, mache doch lieber ich das. Keine Ahnung, ob’s den gibt.
Das Gespräch führte Jan Schulz-Ojala.
Jan Schulz-Ojala
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