Streit um die Berliner Film- und Fernsehakademie: Wer wird Direktor der DFFB?
Bei der Besetzung des Direktorenpostens an der DFFB gibt es unwürdiges Gezerre. Am Freitag, den 6. März, stellt sich ein neuer Kandidat vor. Warum es so schwer ist, einen Nachfolger für Jan Schütte zu finden, warum die Studenten protestieren und die Qualität der Lehre leidet.
Langsam macht man sich Sorgen um die DFFB, die Berliner Film- und Fernsehakademie mit Sitz im Filmhaus am Potsdamer Platz. Warum das Gezerre um die Nachfolge für Jan Schütte, nach dessen plötzlichem Weggang in die USA letzten Herbst? Warum der zunehmend unwürdige Streit um einen neuen Direktor zwischen der Akademie und denen, die über die Neubesetzung entscheiden, dem Kuratorium und dem Chef der Berliner Senatskanzlei, Björn Böhning?
Niemand hat die Absicht, die DFFB zu zerschlagen, davon ist auszugehen. Aber soll sie vielleicht doch dramatisch umstrukturiert werden, weg von einer Ausbildungsstätte für den künstlerischen Film hin zu mehr Mainstream, wie Studierende und Dozenten befürchten? Warum läuft bei der Neubesetzung so ziemlich alles schief, was die Transparenz und die Kommunikation beim Besetzungsverfahren betrifft? Die Studenten jedenfalls warnen, protestieren, demonstrieren seit Monaten, veranstalteten sogar Mahnwachen vor dem Roten Rathaus. Sie fürchten um die Substanz der Akademie, immerhin eine der ältesten, profiliertesten, politischsten und zugleich ästhetisch ambitioniertesten deutschen Filmhochschulen, zu deren Absolventen Wolfgang Becker, Detlev Buck, Harun Farocki, Wolfgang Petersen, Christian Petzold, Helke Sander oder Angela Schanelec gehören. Zum ersten – turbulenten – Jahrgang 1966 zählte auch Holger Meins.
Wie kann es sein, dass bei der Kuratoriumssitzung am morgigen Freitag, den 6. März, mit dem Hamburger Produzenten Ralph Schwingel („Emmas Glück“, „Die Tür“) ein neuer Kandidat gleichsam aus dem Hut gezaubert wird, nachdem die erste Findungsrunde eigentlich ein klares Ergebnis erbracht hatte? Wie kann es sein, dass keine Ruhe mehr in die Akademie kommt, nachdem bereits Schüttes Amtsantritt 2010 von Protesten begleitet war?
Kurzer Rückblick: Nach Ausschreibung und Kür der Findungskommission hatten sich Anfang Dezember zwei Kandidaten dem Kuratorium vorgestellt: die Kamerafrau, Kölner Hochschulprofessorin und Ex-DFFB-Dozentin Sophie Maintigneux sowie der österreichische Filmemacher Julian Pölsler („Die Wand“). Die Wahl des siebenköpfigen Kuratoriums, dem unter Vorsitz von Böhning unter anderen die MedienboardChefin Kirsten Niehuus, der Produzent Eberhard Junkersdorf, die RBB-Programmdirektorin Claudia Nothelle sowie Claudia Tronnier (ZDF, „Kleines Fernsehspiel“) angehören, fiel auf Pölsler. Dem Vernehmen nach wurde man sich jedoch nicht über die Modalitäten einig, also ist der Job wieder vakant.
Bei gleicher Eignung wird eine Frau bevorzugt, hieß es in der Ausschreibung. Wieso eigentlich kommt Sophie Maintigneux in den Augen des Kuratoriums schon wieder nicht in Frage, obwohl sie es – nach der Bewerbungsrunde mit Schütte 2009/10 – zum zweiten Mal in die Endrunde schaffte? Die international bekannte Kamerafrau Maintigneux, Jahrgang 1961, hat mit Eric Rohmer, Godard, Rudolf Thome und Philip Gröning gearbeitet, ihre Filmliste enthält über 50 Titel. Von ihren Berliner Studenten wurde sie überaus geschätzt, sie kann jahrzehntelange Lehrtätigkeit und Erfahrung im Aufbau von Studiengängen vorweisen. Wieso soll für Schwingel in den nächsten Wochen eine Probe-Vorlesung anberaumt werden, wie es verschiedentlich heißt, nicht aber für Maintigneux? Probe-Vorträge sind nicht unüblich in Finalrunden für Hochschul-Rektoren und Uni-Präsidenten. Und warum sitzt kein einziger Filmemacher ausgerechnet im Kuratorium dieser Filmhochschule?
„Die Stimmung an der Hochschule hat sich sehr verändert“, sagt Regisseurin und DFFB-Dozentin Valeska Grisebach ("Sehnsucht"). „Unter Jan Schütte wurden Strukturen verändert, die Regie-Professur blieb jahrelang unbesetzt, die Qualität der Lehre hat spürbar gelitten.“ Den jetzigen Studienleitern Bodo Knapheide und Katharina Tebroke sei es zu verdanken, dass der Laden trotz aller Querelen gut läuft. „Mich brüskiert vor allem das Verfahren“, stellt Grisebach klar.
Auch Katinka Narjes, die als Studentenvertreterin an den Kuratoriumssitzungen teilnimmt, betont, dass es nicht um Namen und Qualifikationen geht, sondern um Transparenz und das Bemühen um einen Konsens. „Wir wollen keine Kandidaten verbrennen“, sagt sie und erläutert ebenfalls, wie sehr sich unter Schütte das Klima verändert hat. War die Akademie bei früheren Direktoren wie Reinhard Hauff und Hartmut Bitomsky für ihre Debattenkultur berühmt, wurde der Akademische Rat entmachtet, die traditionelle Freitagsrunde für Rohschnitt- und Filmabnahmen reduziert. Starke Lehrpersönlichkeiten wie Maintigneux oder Regieprofessor Marin Martschewski gingen – oder wurden gegangen. In der Studentenschaft sei das Gefühl verschwunden, dass der Direktor ihnen den Rücken stärkt und sich auch nach außen für DFFB-Projekte engagiert.
Vertrauensbildende Maßnahmen, so Narjes, seien jetzt wichtiger als eine schnelle Entscheidung. Die Studenten wünschen sich eine Fristverlängerung, vielleicht sogar eine neue Ausschreibung. Man kann auch pragmatischer vorgehen, sich um die schnelle Anwerbung weiterer Kandidaten bemühen und vor allem um Deeskalation. Wer weiß, vielleicht ist Ralph Schwingel ja enau der Richtige? Er hat immerhin einmal die ersten Filme von Fatih Akin produziert, den damals unbekannten Jungregisseur gefördert, für "Gegen die Wand" gewannen sie den Goldenen Bären und den Deutschen Filmpreis. Überdies ist er ausgebildeter Psychologe! Es käme nur darauf an, Einmütigkeit herzustellen, dafür zu sorgen, dass die Dozenten, Studenten und Mitarbeiter der DFFB sich ernst genommen fühlen, wenn der Neue oder die Neue auf den Direktorenstuhl gehievt wird.
Von Seiten der Akademie werden seit einigen Wochen versöhnlichere Töne angeschlagen. Von Seiten der Senatskanzlei, die zunehmend überfordert zu sein scheint, gilt es ebenfalls, Kommunikationsdefizite wettzumachen. Böhnings Büro stellte in Aussicht, dass in den nächsten Wochen über die Besetzung entschieden wird.
Filme sind Teamwork, eine Filmakademie ohne Teamgeist ist nicht denkbar.
Ein paar Wochen mehr wären nicht schlecht. Denn eine Kunsthochschule, zumal eine kleine ( 34 Studenten pro Semester), hoch identifikatorische Akademie wie die DFFB, kann nicht gegen den erklärten Willen der Absolventen geleitet werden. Schon jetzt droht „selbstreflexive Selbstzerfleischung“, wie Regisseurin Angelina Maccarone die Situation bei einer Diskussion am Rande der Berlinale charakterisierte. Die Akademie braucht einen kreativen Kopf, einen, der von den Studierenden bei ästhetischen Fragen genau so ernst genommen wird wie bei Fragen der Filmfinanzierung. Kino ist beides, Kunst und Ware, intime Vision und Publikumsangebot. Eine Frontstellung zwischen Kunstsinn und Marktorientierung schadet da nur. Und weil Filme in Teamwork entstehen – weit mehr als Bildende Kunst oder Literatur – , ist eine Filmakademie ohne Teamgeist nicht denkbar.
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