Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB): Eklat um Berufung des neuen Direktors
Blockade gegen Kontakt: Im DFFB-Berufungsdebakel sucht der designierte Chef Ralph Schwingel das Gespräch mit den Filmstudenten. Rückhalt findet er zunächst bei Dozenten und Mitarbeitern.
Manchmal muss man erst ganz nach unten, damit es wieder aufwärts geht. Auch bildlich: Als der vom Kuratorium der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB) „in Aussicht genommene“ neue Direktor Ralph Schwingel am Montag nachmittag in den Akademieräumen im Filmhaus am Potsdamer Platz das Gespräch mit den Studenten sucht, blockieren zunächst rund zwei Dutzend Protestierer die Aufzüge. Der Versuch, ins Kino Arsenal im Untergeschoss auszuweichen, scheitert: Flugs verlagert sich die Blockade vor dessen Tür. Schließlich findet man sich zwecks Gespräch in einem kaltweiß beleuchteten Kellerflur mit rund 30 Dozenten und Mitarbeitern wieder. Schon wird gewitzelt, die Atmosphäre sei hier „wie im Luftschutzbunker“.
Lustig ist die verfahrene Situation um die Berufung eines neuen Direktors oder einer Direktorin der DFFB – wir berichteten mehrfach – freilich überhaupt nicht. Und, um im Bild zu bleiben, die Kontroverse trudelt zusehends ins Bodenlose. Neuestes Faktum: Am Montag erließ das Landgericht Berlin ohne mündliche Verhandlung eine einstweilige Anordnung, wonach das Kuratorium im Berufungsverfahren zunächst keinerlei rechtsverbindliche Schritte unternehmen – sprich: den Vertrag mit dem Filmproduzenten und Psychologen Schwingel nicht unterzeichnen – darf. Antragstellerin sei eine im Verfahren unterlegene Bewerberin, sagt DFFB-Ko-Geschäftsführerin Edith Forster bei der Kellerversammlung. Es handelt sich wohl um die von den Studenten favorisierte Kamerafrau Sophie Maintigneux, die schon vor vier Jahren kandidiert hatte und dem später höchst ungeliebten Akademiedirektor Jan Schütte den Vortritt lassen musste.
Hilfreich ist zumindest die rechtliche Blockade womöglich für einen gewissen Zeitgewinn. Am Montag sieht es nur in minimalen Ansätzen danach aus: Hier die Studenten, die nach einer zermürbenden und schließlich als massiv intransparent empfundenen Kandidatensuche vor den Aufzugtüren „Kein Direktor ohne uns“ skandieren. Dort der - nach der Nichtwahl Sophie Maintigneux’ und dem Rückzug des vom Kuratorium favorisierten Julian Pölsler - um Diskursbereitschaft und Vertrauen werbende Ralph Schwingel, der von studentischer Seite als Mann des verhassten Kuratoriums gesehen wird.
Er selber nennt die Tür-Blockade zwar einstweilen den „worst case“, scheint aber offen zu sein, einen Weg aus der total verfahrenen Situation zu suchen. Mag sein, dass dem Produzenten von Wüste Film, der derzeit in seinem erlernten Beruf als Psychologe in der Borderline-Station eines Hamburger Krankenhauses arbeitet, dabei ein umsichtig moderierendes Naturell zugute kommt. Ein Rückzug jetzt, sagt er den Dozenten und Mitarbeitern, käme für ihn nur in Frage, wenn er persönlich kontinierlich angefeindet bleibe. Oder wenn er erkennen müsse, „dass ich hier keinen Baum pflanzen kann, weil hier kein Boden ist“.
Im Keller wird offen und sachlich diskutiert
Wie aus der offenen und sachlichen Keller-Diskussion hervorgeht, könnte Schwingel, dem der Lehrkörper und die Angestellten mehrfach mit kräftigem Applaus den Rücken stärken, der richtige Mann am schwierigen Ort sein. Mittags war es, sagt er, bereits zu einem ersten Gespräch mit drei Studenten gekommen, und überhaupt wirkt der 1955 Geborene wie jemand, der die eigene rebellische Studentenzeit der 70er Jahre nicht vergessen hat. Zunächst käme es darauf an, „heil“ in das 50. DFFB-Jubiläumsjahr 2016 hineinzukommen und „mit den Studenten eine Zukunft zu entwerfen“.
Änderungsbedürftig sind dabei wohl nicht nur die DFFB-Regularien, die bisher bei nahezu jeder Chef-Bewerbung für Verdruss sorgten. Der Akademie insgesamt schwebt ein Probevorlesungs-Prozedere vor, wobei dann der oder die beste unter den Kandidaten gewählt wird. Auch steht die Zusammensetzung des Kuratoriums in der Kritik: Neben dessen Vorsitzendem Björn Böhning, zugleich Chef der Senatskanzlei, gehören ihm der 75-jährige Produzent Eberhard Junkersdorf, Martin Bachmann (Sony-Deutschlandchef), Medienboardchefin Kirsten Niehuus sowie Claudia Tronnier (ZDF-„Kleines Fernsehspiel“) und Claudia Nothelle (RBB-Programmdirektorin) an. Warum fehlen Fachleute mit Lehrerfahrung, warum jemand von filmkünstlerischer Seite? Derlei Schieflagen beklagen auch Produzenten wie X-Filme-Chef Stefan Arndt, der sich von der DFFB ein „viel stärkerers Hineinstrahlen in die Stadt“ wünscht. Vielleicht steht genau das ja bevor, sofern die Studenten das von den Dozenten und Mitarbeitern unterstützte Gesprächsangebot Schwingels annehmen. Immerhin habe er das Wort „heilen“ ins Spiel gebracht, sagt eine Mitarbeiterin. Die Sehnsucht danach scheint groß; und eine gewissen Hoffnung wenigstens ist am Montag in jenem Kellerflur im Filmhaus zu spüren.
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