„Girls Trip“ mit Jada Pinkett Smith: Hängeparty
2015 boykottierte Jada Pinkett Smith die Oscar-Verleihung. Im Film „Girls Trip“ ist sie jetzt in einer rein afroamerikanischen Besetzung zu sehen.
What happens in Vegas, stays in Vegas. Die stillschweigende Übereinkunft feierwütiger Amerikaner beim Wochenendausflug in die Partystadt hat es zum Werbeslogan der Tourismusbranche gebracht – und lieferte die Prämisse für eine der erfolgreichsten US-Komödien. Mit „Hangover“ zog in Hollywood eine Ära des kalkulierten Kontrollverlusts auf. Doch im Kino gilt der Exzess weiter als männliches Privileg, auch wenn Komödien wie „Brautalarm“, „Bad Moms“ und „Girls’ Night Out“ diesen Mythos zuletzt mit vereinten Kräften zu untergraben versuchten. Haben „fäkal“ und „feminin“ doch mehr gemeinsam als nur den ersten Buchstaben?
Es hat daher fast schon etwas Transgressives, in Malcolm D. Lees „Girls Trip“ eine Frau im kleinen Schwarzen mit suggestiven Auslassungen („Das ist kein Kleid, das ist ein Moskitonetz“) an einem Seilzug verzweifelt über der Bourbon Street, der berüchtigten Partymeile von New Orleans, baumeln zu sehen. Die Blase pressiert, zahllose Mojitos fordern ihren Tribut und weil die Kontrolle über die eigenen Körperfunktionen zu vorgerückter Stunde schwindet, bleibt der Armen nichts Anderes übrig, als sich über den Köpfen der jubelnden Menge zu erleichtern.
Jada Pinkett Smith und ihr Mann Will sind Hollywoods Powerpaar
Das Bild sorgt schon deswegen für kurze Irritation, weil das öffentliche Image der Darstellerin, die da so unvorteilhaft exponiert dem Ruf der Natur folgt, nur schwer mit der Filmfigur zu vereinbaren ist. Jada Pinkett Smith bildet mit ihrem Mann Will Smith das power couple in Hollywood schlechthin, spätestens seit der schmutzigen Trennung von „Brangelina“. Zuletzt machte Pinkett Smith im vergangenen Jahr von sich reden, als sie mit einer entwaffnenden Videobotschaft ihren Boykott der Oscar-Zeremonie erklärte, nachdem zum zweiten Mal in Folge keine Afroamerikaner in den Hauptkategorien nominiert waren.
Pinkett Smith muss lachen, als sie auf die golden shower-Szene in „Girls Trip“ angesprochen wird. Natürlich war ihr bewusst, welche Reaktionen der Auftritt auslösen würde. „Ich habe die Rolle angenommen“, erzählt sie im Interview, „weil mich niemand in so einem Film erwarten würde. Ich wollte aber auch mit einer bestimmten Vorstellung von weiblicher Identität aufräumen: dass es Frauen nicht erlaubt ist, über die Stränge zu schlagen. Mir ging es darum, Vorurteile zu durchbrechen, die dem Wunsch im Weg stehen, sich mit diesen Frauen zu identifizieren.“
Jada ist eine, die sich durchsetzt
In „Girls Trip“ nennt ihre beste Freundin Dina ihre Figur Lisa ein Mutter- und Partytier. Pinkett Smith kennt sich mit beiden Phasen aus. Kürzlich sprach sie erstmals über ihre Jugendsünden als Drogenhändlerin, damals hatte sie gerade ihren Jugendfreund Tupac Shakur kennengelernt. (Über die ihr nachgesagten Verbindungen zu Scientology möchte sie in Berlin nicht reden.) Aber es braucht auch nicht viel Fantasie, um sich die 1, 52 Meter große Pinkett Smith als Familienoberhaupt vorzustellen. Schließt man allein von den Filmografien auf die eheliche Dynamik im Haus Smith, ist Jada ganz sicher diejenige, die ihren Kopf notfalls durchsetzt. Im Gespräch bezeichnet sie sich als wählerisch, was Rollenangebote angeht.
Den Grundstein für ihre Filmkarriere legte die ehemalige Tänzerin bereits in den frühen Neunzigern mit einer Hauptrolle in der Sitcom „College Fieber“, einem Ableger der „Bill Cosby Show“. Für Pinkett Smith war es eine einschneidende Erfahrung: „Mein Charakter Lena basierte auf meinen Erfahrungen, die Rolle wurde mir auf den Leib geschrieben. Wie konnte ich da Nein sagen?“ Die Sitcom gilt heute als TV-Meilenstein, am fiktiven schwarzen Hillman College wurden zum ersten Mal gesellschaftliche Themen wie Rassismus, Sexismus und AIDS behandelt – und mittendrin Jada Pinkett Smith. Ihre Regisseure hießen zu dieser Zeit Albert und Allen Hughes („Menace 2 Society“), F. Gary Gray („Set It Off“) und Spike Lee („Bamboozled“), Hollywood hatte gerade wieder „schwarze Themen“ für sich entdeckt.
"Girls Trip" ist das weibliche Pendant zu "Hangover"
Die bittere Ironie, dass sie zwanzig Jahre später noch immer über den Mangel an kultureller Vielfalt in Hollywood sprechen muss, entgeht Jada Pinkett Smith nicht. Fast fühlt sie sich als Veteranin. „Es gibt heute mehr Filme mit schwarzer Besetzung, die auch universelle Themen behandeln. Themen, zu denen auch ein Publikum ohne Bezug zur schwarzen Kultur Zugang findet. Aber es muss sich erst noch zeigen, ob es wieder nur ein Trend ist, oder ob Hollywood sich endlich einsichtig zeigt, einen lange überfälligen Wandel einzuleiten."
„Girls Trip“ illustriert die Denkweise in Hollywood anschaulich. Erst gab es die Junggesellen-Komödie „Hangover“, es folgte das weibliche Pendant „Brautalarm“. Und nun also Krawallhumor mit schwarzen Frauen in der Tradition von Richard Pryor und Chris Rock, die Witze über ihre Vaginas und die genitale Bestückung von Männern reißen. Girls just wanna have fun. Das ist auf Dauer so ermüdend wie befreiend. Wer hat denn behauptet, dass es in Filmen mit schwarzen Figuren immer „um etwas gehen“ muss? „Humor kann Türen öffnen“, entgegnet Pinkett Smith nur. „ Ich hoffe, wir kommen irgendwann an einen Punkt, an dem sich jeder Mensch mit einem schwarzen Charakter identifizieren kann, nicht nur in Verbindung mit einem sozialkritischen Thema.“
Freiheit, auch die ökonomische, ist für sie ein große Thema
Die Energie zwischen Jada Pinkett Smith, Regina Hall, Queen Latifah und Tiffany Haddish jedenfalls erzeugt Funken. „Girls Trip“ will nicht mehr sein als eine hochgradig versaute (und hoffnungslos romantische) Komödie über schwarze sisterhood – oder wie es im Film heißt: eine Feier schwarzer Weiblichkeit in all ihren prächtigen Erscheinungsformen. „Es gab keinen weißen Produzenten, der uns sagte, wie wir zu reden hatten.“ Freiheit, auch ökonomische Freiheit, ist für Pinkett Smith ein großes Thema. Immer wieder kommt sie auf Grenzen zu sprechen, die niedergerissen werden müssen - sei es bei der Erziehung ihrer Kinder Jaden und Willow oder im Zusammenhang mit gesellschaftlichen Rollenbildern. In gewisser Weise ist „Girls Trip“ also angewandte Theorie. Vielleicht muss Jada Pinkett Smith in zwanzig Jahre ja nicht immer noch dieselben Fragen beantworten.
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