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© Warner

Hangover: Pack den Tiger auf die Bank

Das ewig Männliche zieht uns hinab: "Hangover" von Todd Phillips ist eine wunderbar anarchische Komödie.

Twitter ist böse. Twitter, heißt es jetzt überall, hat „Brüno“ geschlachtet. Dabei hatte „Brüno“, Sacha Baron Cohens brutalstmögliche Expertise über das männliche Intim-Ego, mit einer gigantischen Werbekampagne und einem EmbargoMaulkorb, der die stets nölende Journaille zu Rezensionen extrem knapp vor Kinostart zwang, erstmal alles richtig gemacht. Aber nach dem ersten Wochenende zwitscherte es unisono: Vergesst „Brüno“! Und schon ist der Film in den US-Charts um sagenhafte 73 Prozent eingebrochen.

Twitter ist gut. Nicht nur das verblüffend erfreute Echo der bei spätpubertären Buddy-Komödien meist nölenden Kritiker dürfte den Erfolg von „Hangover“ beflügelt haben, sondern vor allem die Zwitscherpropaganda: Leute, selten so gelacht! Schon spielte die für amerikanische Verhältnisse schlanke 35-Millionen-Dollar-Produktion in der Heimat binnen weniger Wochen erstaunliche 235 Millionen Dollar ein. Und das komplett ohne Stars. Oder kennen Sie etwa, sagen wir, Zach Galifianakis?

Zach Galifianakis spielt in Todd Phillips'' „Hangover“ Alan, den künftigen Schwager von Doug, der demnächst heiratet – und dass der Regisseur den bärtigen Stand-up-Comedian bei seinem nächsten Film „Due Date“ und womöglich auch bei „Hangover 2“ dabei haben will, ist ihm nicht zu verdenken. Denn Galifianakis ist das umwerfend stoische Zentrum im komischen Orkan, der Fels in der Brandung des Wahnsinns. Und als Alan der Verrückteste von allen.

Vier sind sie insgesamt, vier Freunde für ein Halleluja auf die Junggesellenzeit, bevor es ab in den Knast des Ehelebens geht – und ab geht’s erst mal nach Las Vegas, wo alles geht und sprichwörtlich alles bleibt. Den Bräutigam namens Doug spielt Justin Bartha, und dass Langweiler Doug gleich aus dem sausebrausenden Verkehr dieses Kinovergnügens gezogen wird, ist schon mal die erste gute Entscheidung. Dann ist da Junglehrer Phil (Bradley Cooper), mit süßer Frau und süßen Kinderchen bereits verantwortungsgesegnet, und dass er nach der Chaosnacht die Leitung der mnemotechnischen Investigationsversuche übernimmt, geht auch voll in Ordnung. Schließlich hat er in Alan und dem Klemmi-Zahnarzt Stu (Ed Helms), der sich mit dem Plan einer noch betrüblicheren Verehelichung trägt, zwei Assistenten, auf die er sich verlassen kann – es sei denn, die beiden haben einen Kater.

Soweit alles klar? Es geht in diesem Film, übersetzen wir ihn einfach „Dröhnschädel“, nicht um die Sau, die ein paar Ewigpubertäre im Suff rauslassen (das hat das Kino schon hundertmal gezeigt), sondern um die viel komischere Recherche danach. Zu klären wäre: die Herkunft eines Babys sowie eines ausgewachsenen Tigers in der gemeinsam gemieteten Suite im „Caesars Palace“, außerdem der Verlust eines Eckzahns, den ausgerechnet Zahnarzt Stu zu beklagen hat. Und warum zum Teufel fährt der ValetService des Hotels zur ersten vorsichtigen Externrecherche ausgerechnet in einem Streifenwagen vor?

Der 38-jährige Todd Phillips, der mit drastischen Dokus über den Punkrocker GG Allin und die Riten von Studentenverbindungen anfing, gilt spätestens seit „Road Trip“ (2000) und „Old School“ (2003) als Experte für real existierenden ewig jungmännlichen Eskapismus. „Hangover“ nun jongliert so souverän mit purem Nonsense, feingehäckseltem Brachialhumor und jeder Menge Situationskomik, dass fast ein frühreifes Alterswerk zu vermuten wäre.

Nur: Die Standbilder im Abspann, die die Rätsel dieser Nacht aufklären und aus deren Ideenreichtum Minderbegabte sich mal eben ganze Filme schnitzen. sind pure Anarchie – ebenso die wunderbar knappe Slapsticknummer des Sängers, als die Hochzeitsgesellschaft irgendwann doch reichlich derangiert beisammen ist. Auszeiten mögen verrückt sein – viel verrückter aber, sagt Phillips zwischen den Bildern, ist die Norm.

In 19 Kinos; OV Cinestar SonyCenter 

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