Streit um Oscarnominierungen: Spike Lee und Jada Pinkett Smith: Oscar-Boykott
Zu wenig Vielfalt beim Oscar: Schwarze Filmschaffende wie Spike Lee und Jada Pinkett Smith boykottieren die Zeremonie.
Entspannt sitzt Schauspielerin Jada Pinkett Smith auf ihrem Sofa. Die Hände verschränkt, lehnt sie sich ein wenig nach vorn und beginnt mit einer kurzen Rede zum Martin-Luther-King-Tag, die es in sich hat. „Wir haben genug Einfluss und Macht, um nicht länger darum bitten zu müssen, zu irgendetwas eingeladen zu werden“, sagt sie adressiert an ihre schwarzen Landsleute. Und sofort ist klar, worum es in ihrem bereits mehr als acht Millionen Mal aufgerufenen Video geht: die Oscarnominierungen.
Seit ihrer Bekanntgabe letzte Woche werden die Proteste gegen die Kandidaten-Auswahl immer lauter. Vor allem die Entscheidung der Academy, ausschließlich weiße Schauspielerinnen und Schauspieler zu nominieren, erhitzt die Gemüter.
Die 44-jährige Pinkett Smith, die in Filmen wie „ Matrix Reloaded“ und „Collateral“ mitspielte, will die Oscarverleihung deshalb boykottieren. Nicht einmal im Fernsehen werde sie sich das Spektakel anschauen, sagt sie in ihrem auf Facebook verbreiteten Video. Die Academy könne einladen, wen sie wolle, doch vielleicht sei es nun an der Zeit, „dass wir unsere Ressourcen zurückziehen und sie in unsere Gemeinschaft und in unsere Programme stecken“, fährt die mit Will Smith verheiratete Schauspielerin fort.
Auch Spike Lee attackierte die rund 6000 mehrheitlich weißen, männlichen Academy-Mitglieder, die die Auswahl treffen. Der Regisseur von Filmen wie „Inside Man“, „Malcom X“ und „Do The Right Thing“ fragte in einem Instagram-Post: „Wie ist es möglich, dass im zweiten Jahr in Folge alle 20 Anwärter in der Schauspielkategorie weiß sind?“
Lee ist als kämpferischer und politischer Filmemacher bekannt. Er veröffentlichte sein Statement ebenfalls am Martin-Luther-King-Tag vergangenen Montag. Neben einem Foto des 1968 ermordeten Bürgerrechtlers weist der New Yorker Regisseur zudem darauf hin, dass das wahre Problem in den Büros von Hollywood liege. Dort werde entschieden, was überhaupt gedreht wird. Besondere Brisanz erhält Lees Kritik dadurch, dass der 58-jährige Regisseur erst im November von der Academy mit dem Ehrenoscar für sein Lebenswerk ausgezeichnet worden war. Nun erklärte er, dass er der Zeremonie im Februar aus Protest fernbleiben werde.
Schon im letzten Jahr gab es Ärger um die Nominierungen
Die aktuelle Kontroverse wirkt wie eine Wiederauflage der auch unter dem Hashtag #oscarssowhite geführten Debatte in den sozialen Medien aus dem letzten Jahr. Damals entzündete sie sich vor allem an den wenigen Nominierungen für den Martin-Luther-King-Film „Selma“. Dieser war zwar in der Kategorie Bester Film nominiert. Regisseurin Ava DuVernay und Hauptdarsteller David Oyelowo wurden hingegen nicht berücksichtigt.
Samuel L. Jackson und "Straight Outta Compton" wären Alternativen gewesen
Auch diesmal hätte es durchaus Alternativen zum rein weißen Kandidaten-Feld gegeben: Samuel L. Jackson spielt fulminant in Quentin Tarantinos Winter-Western „The Hateful Eight“, in dem er einen Kopfgeldjäger verkörpert. Die Hip-Hop-Saga „Straight Outta Compton“ hätte mehr als eine Drehbuchnominierung verdient gehabt. Auch bei der „Rocky“-Fortschreibung „Creed“ haben sich viele gefragt, warum nur Sylvester Stallone nominiert wurde, nicht aber der Hauptdarsteller Michael B. Jordan. Überdies hätte Spike Lees in den USA kontrovers diskutiertes Gang-Drama „Chi-Raq“ ebenfalls Kandidaten-Potenzial gehabt.
Die afroamerikanische Präsidentin der Oscar-Akademie, Cheryl Boone Isaacs, äußerte sich betrübt über die fehlende Vielfalt bei den Nominierten. Die Akademie unternehme dramatische Schritte, um ihre Mitgliederschaft vielfältiger werden zu lassen. Es sei Zeit für Veränderungen. Moderiert wird die Zeremonie, die am 28. Februar in Los Angeles stattfindet, vom schwarzen Comedian Chris Rock. Ihn nahmen Lee und Pinkett Smith von ihrer Kritik aus. Trotzdem könnte es der härteste Abend seiner Karriere werden. (mit dpa)