Hedwigskathedrale in Berlin: Gott in der Arena
Radikal mit minimalen Mitteln: Die Berliner Hedwigskathedrale soll architektonisch umgestaltet werden Dabei wird auch das charakteristische Loch im Altarraum verschwinden. Die Denkmalschützer sind damit gar nicht einverstanden.
Ohne Friedrich den Großen würde es die St.-Hedwigs-Kathedrale nicht geben. Er war kein großer Freund der Katholiken, aber für ihn durfte die Religion nicht fehlen, wenn er in seinem Stadtforum Wissenschaft und Kunst städtebaulich versammelte. Seit 1745 waren mit den eroberten schlesischen Gebieten außerdem viele katholische Untertanen dazugekommen. Auch die außergewöhnliche Form der Kirche, die an das römische Pantheon erinnert, geht auf den preußischen König zurück.
Die anderen Gebäude am repräsentativen Forum Fridericianum wurden in den vergangenen Jahren saniert, die Staatsoper wird es noch. St. Hedwig führt ein Aschenputteldasein. Doch das soll sich ändern. Das Erzbistum hat einen internationalen Architekturwettbewerb zur Umgestaltung des Inneren des Sakralbaus ausgelobt. Am Dienstag wurde der Siegerentwurf des Architekturbüros Sichau & Walter aus Fulda vorgestellt.
Die geplanten Eingriffe sind gewaltig, auch wenn Peter Sichau sein Konzept einen „radikalen Ansatz mit minimalen Mitteln“ nennt. Die umstrittene Bodenöffnung des Architekten Hans Schwippert aus den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts wird geschlossen. Der Altar rückt in die Mitte der Rotunde, die Besucher sitzen in konzentrischen Kreisen um den Altar herum. Statt Bänken wird es Stühle geben, wodurch sich die Anzahl der Sitzplätze von jetzt 440 auf 550 erhöht.
Das Konzept und die verwendete Formensprache sind klar und reduziert. Sie betonen den Gedanken der christlichen Communio, die sich um den Altar versammelt. Der Architektur komme eine untergeordnete Rolle zu, sagt Peter Sichau. Sie soll den Raum beruhigen, um das liturgische Geschehen in den Vordergrund zu rücken.
Nach Ansicht der Architekten bleibt die Schwippert’sche Raumgestaltung „dominant“. Einige Elemente aus den 50er Jahren wie Säulen, Decke und Lampen werden übernommen. Die Denkmalschützer beruhigt das nicht. Sie bedauern, „dass keine der eingereichten Arbeiten eine denkmalgerechte Lösung darstellt, die das konservatorische Anliegen in angemessener Form erfüllt“. Landeskonservator Jörg Haspel hat als Jurymitglied den Siegerentwurf dennoch mitgetragen.
Den Grundgedanken von Schwippert, Ober- und Unterkirche durch eine „Raumvertikale“ zu verbinden, habe man sehr wohl aufgegriffen, verteidigt Sichau seine Pläne. Die künftige vertikale Achse sei zwar nicht sichtbar, aber „spürbar“ – als „Kraftlinie“. Die transzendente, abstrakte Vertikale reicht vom Taufbecken in der Unterkirche über den Altar in der Oberkirche bis hinauf in den Himmel, in den sich die mit transparentem Glas bedeckte Kuppelspitze öffnet.
Das Erzbistum mit Kardinal Rainer Maria Woelki an der Spitze begründet die Schließung der Bodenöffnung mit der neuen liturgischen Ordnung seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil in den 60er Jahren. Damals wurde festgelegt, dass es möglich sein muss, die Altarinsel in einer Prozession zu umschreiten. Das ging bislang in St. Hedwig nicht. Hans Schwippert hatte die Kathedrale vor der Liturgiereform umgebaut.
Kunsthistoriker, Denkmalschützer und Architekten, die den Umbauplänen kritisch gegenüberstehen, wollen diese liturgischen Begründungen nicht gelten lassen. Sie rühmen Schwipperts Ausgestaltung in ihrer Einmaligkeit. Sie müsse erhalten werden. „Nur wenige der 169 eingereichten Entwürfe haben die Schwippert’sche Bodenöffnung belassen“, sagte der Kölner Architekt Kaspar Kraemer, der dem Preisgericht vorsaß. Keiner dieser Entwürfe habe die Jury überzeugt.
Die katholische Kirche sieht in der Auseinandersetzung mit den staatlichen Denkmalschützern auch eine staatskirchenrechtliche Dimension. „Wenn die Liturgie eine Neuordnung im Innern der Kirche erfordert, dann darf die Kirche das tun. Das hat die staatliche Denkmalpflege zu akzeptieren“, sagte Prälat Karl Jüsten, der die Deutsche Bischofskonferenz beim Bundestag vertritt. Außerdem sei die Kirche ein lebendiger Organismus und kein Museum.
Die Unterkirche in ihrem jetzigen Zustand erinnert einige Jurymitglieder an eine „Rumpelkammer“. Architekt Peter Sichau will hier mit klaren, reduzierten Elementen neue Akzente setzen und auch die Grablege des ehemaligen Dompropstes Bernhard Lichtenberg, einst mutiger Gegner des NS-Regimes, deutlicher und sakraler zum Tragen bringen. Als dritter liturgischer Raum ist eine Sakramentenkapelle geplant. Sichau will die heutige Sakristei in einen Raum umgestalten, der zur Meditation und Anbetung einlädt. Hans Schwippert würde sich bestimmt mit den neuen Plänen anfreunden, sagte Dieter Georg Baumewerd, Architekt in Münster und früherer Mitarbeiter bei Schwippert. Auch er saß in der Jury. Von einer Musealisierung habe sein Chef nicht viel gehalten – und außerdem sei auch jetzt in der Kathedrale vieles nicht so, wie er es sich gedacht hatte.
Man werde weiter im Dialog mit den Architekten und auch mit den Denkmalschützern bleiben, sagte Dompropst Ronald Rother. Der Entwurf müsse „noch zu Ende diskutiert werden“. Auch ob und wie das Bernhard-Lichtenberg-Haus hinter der Kathedrale umgestaltet wird, steht noch in den Sternen. Vieles wird nicht zuletzt davon abhängen, „wie viele Menschen begreifen, dass St. Hedwig ein Kulturdenkmal für ganz Deutschland ist“, wie Rother sagte – und Geld dafür geben. Eine Prognose, wie teuer der Umbau werde, wollte am Dienstag keiner wagen. Die fünf Millionen Euro, die einmal für eine reine Sanierung des Hauses vorgesehen waren, dürften jedenfalls nicht reichen.
Die 15 besten Architekturentwürfe sind bis 30. Juli in der Kathedrale ausgestellt, montags bis samstags 11–17.30 Uhr.
Claudia Keller
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