Amtseinführung von Erzbischof Woelki: Predigt mit Wucht
Rainer Maria Woelki tritt seinen Dienst als Erzbischof mit einer Messe in der Hedwigskathedrale an. Dass nur jeder dritte Berliner Christ ist – davon will er sich nicht entmutigen lassen.
Um acht Uhr rütteln die Ersten an den Türen der Hedwigskathedrale. Sie wollen sich einen Platz für das Spektakel sichern: die Amtseinführung des neuen Bischofs Rainer Maria Woelki. 2500 Menschen strömen herbei, geladene Gäste wie die 33 Bischöfe aus Deutschland, Polen, Tschechien und Ungarn, der Päpstliche Nuntius, Priester und Ordensleute, Vertreter aus der Politik wie Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD).
Um zehn Uhr sitzen alle, in der Kathedrale und auf dem Bebelplatz vor der Übertragungsleinwand. Das Warten hat sich gelohnt. Was in den nächsten zwei Stunden geboten wird, ist Katholisches vom Feinsten und Feierlichsten: mit Haydn, Mozart, Mendelssohn Bartholdy, liturgischem Reichtum und einer Predigt des neuen Erzbischofs, die an Wucht vieles übertrifft, was in den vergangenen zwanzig Jahren in der Hedwigskathedrale zu hören war. Fast hätte es den Dreck von der Kuppel gesprengt, so leidenschaftlich spricht Rainer Maria Woelki vom „Unfassbaren“, vom „Geheimnis“ des Glaubens. Das Christentum sei nicht in erster Linie eine Moral oder ein Gedankengebäude, sondern ein Geheimnis der Liebe zwischen Gott und Mensch. Dass nur jeder dritte Berliner Christ ist, „das soll und darf uns nicht entmutigen“. Die Botschaft Jesu Christi sei für alle Menschen „alternativlos“.
Als ihm zuvor der päpstliche Nuntius die Ernennungsurkunde von Benedikt XVI. überreicht hatte, wirkte Woelki angespannt, und es schien, als zögere er einen Moment. Jetzt, beim Predigen, sind Nervosität und Anspannung verflogen.
Wenn ihm in Berlin Kritik entgegenschlage, „übelwollende“, solle er standhaft bleiben, gibt ihm danach sein Ziehvater, der Kölner Kardinal Joachim Meisner mit auf den Weg. Die Ermahnung braucht Woelki wohl kaum. Der 55-Jährige ist ein Kämpfer, dem es ums Grundsätzliche geht, um die Wahrheit Gottes „nicht um konservativ oder liberal, um alt oder neu, nicht um das sogenannte Zeitgemäße“.
Erzbischof Robert Zollitsch, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, ermutigt Woelki, neue Wege zu gehen und sich nicht abzukapseln. Bischof Markus Dröge, Woelkis evangelischer Partner in Berlin, reicht dem neuen Mann die Hand in christlicher Verbundenheit – „auch wenn wir unterschiedliche Profile und in manchen Fragen andere Auffassungen haben“. Die „Herzensgrüße“ des Senats überbringt an diesem Mittag SPD-Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit war bei einem SPD-Fest in Marzahn.
Und als die Messe zu Ende ist und alle Reden gehalten sind, fragt Woelki, lässig am Altar lehnend: „Und? Ham Se noch Lust?“ Die „wohlfeile Rede“, die er vorbereitet habe, lasse er stecken und sage nur: Danke. Und weil es so oft in den Reden ums Rheinland gegangen ist, bekennt Woelki schließlich, dass es in Berlin „ein Asyl für Rheinländer“ gibt – er meinte wohl die Kneipe „Ständige Vertretung“ – und dass er da auch schon zweimal war. „Ist schön da“, sagt er und zu Bischof Dröge gewandt, der auch aus dem Rheinland stammt: „Da können wir uns doch auch mal so auf ein Kölsch treffen.“ Wer da noch nicht weich wurde, den berührte spätestens, wie Woelki beim feierlichen Auszug bei seiner Mama stehen blieb, sie umarmte und ihr ein Küsschen auf die Wange drückte.
„Sehr charmant, der neue Bischof“, sagt eine junge Frau später beim Fest an der Kathedrale. „Gute Predigt, da ist Feuer dahinter“, findet eine ältere Dame. „Besser als erwartet“, sagt ein Kreuzberger. Dass während der Messe vor der Kathedrale ein englischsprechender Störer von der Polizei abgeführt wurde, hat keiner mitbekommen. Auch die drei, die nach der Messe für einen laizistischen Staat demonstrieren, gehen unter in der Festtagslaune.
Claudia Keller