Tayou in der ifa-Galerie: Geister der Kolonialzeit
100 Jahre Institut für Auslandsbeziehungen: Eine Ausstellung des Kameruner Bildhauers Tayou zeigt die Nachwirkungen des Kolonialismus als bunten Albtraum.
Oft ist Diplomatie Symbolpolitik. Unter Frank-Walter Steinmeier hat das Auswärtige Amt viel Kultur gefördert, um symbolische Außenpolitik zu machen, auch über das Institut für Auslandsbeziehungen (Ifa). Das Ifa feiert jetzt seine Gründung vor 100 Jahren. Von symbolischer Bedeutung ist es da, wenn die Jubiläumsveranstaltungen in Berlin mit der Ausstellung eines Künstlers beginnen, der aus Kamerun kommt, bis 1916 war das Land deutsche Kolonie. Vor allem wenn dieser Künstler mit „Kolmanskop Dream“ eine Arbeit zeigt, die nach einem Ort in Namibia benannt ist, auch das ehemals deutsche Kolonie. Das ist auch deshalb von Bedeutung, weil der Bundestag 2016 die Massaker, die deutsche Soldaten in Südwestafrika an Nama und Herero begingen, als Völkermord eingestuft hat. Die Nachfahren klagen nun in New York auf Entschädigung von Deutschland.
Pascale Marthine Tayou heißt der Künstler, der die heikle Aufgabe übernommen hat. Tayou, 1967 geboren, lebt in Belgien, wohnte in Stockholm und Paris, nahm 2002 an der Documenta 11 teil, war auf der Biennale von Venedig vertreten, sogar das Museum Marta im kleinen Herford richtete ihm schon eine Einzelschau aus. Tayou tritt also als kosmopolitischer Diplomat auf. Das belastete Verhältnis zwischen Kamerun, Namibia und Deutschland erwähnt er bei der Eröffnung nicht. Er spricht davon, dass wir alle Bürger seien, die gezwungen sind, zu existieren: Niemand habe uns gefragt, ob wir geboren werden wollen. Nun müssen wir sehen, wie wir damit zurechtkommen. Da klingt zunächst ein strenger Sartre durch.
Licht am Ende des kolonialen Tunnels
Doch Tayous saalfüllende Installation spricht eine andere Sprache. Die ganze Längswand ist gespickt mit hölzernen Pfählen. Ihre angespitzten Enden ragen drohend in den Raum hinein und sind doch bunt bemalt, hellblau, grasgrün, sonnengelb, rosafarben. Zwischen den Pfosten stecken Holzfiguren, Kunsthandwerk von Märkten an der Elfenbeinküste, wie Tayou sagt: meterhohe Abbilder schlanker Menschen mit europäischer Kleidung auf dunkler Haut.
Darunter befindet sich aufgehäufter Sand. Rosa und silbrig glitzern darin Plastiksteinchen und lassen an Diamanten denken. Unter der Decke schwebt ein Gewirr aus nachlässig entrolltem Nato-Draht. So sieht also „Kolmanskop Dream“ aus, ein bunter Albtraum. Die Europäer begehrten die Namib-Wüste wegen ihres Erz- und Diamantvorkommens und gründeten dort Kolmanskop, heute eine Geisterstadt. Wer jedoch die lange Wand mit den herausragenden Pfählen bis ganz nach hinten geht, findet Licht am Ende des kolonialen Tunnels.
Von bronzenen Ästen hängen dort transparente Glasköpfe: kunstvoll geblasen nach dem Vorbild afrikanischer Masken, bekleidet mit gehäkelten Mützen und Schals aus Plastiknetzen, geschmückt mit Broschen, Muscheln und handelsüblichen Gläschen für Gewürzpaste. Globalisierte Kunstwesen sind das, bunt, kostbar, zerbrechlich, aufwendig geschaffen. Wir sollten auch auf das Schlechte mit frohen Augen schauen, sagt Tayou, und alles, was wir machen, mit Liebe tun. Das klingt weniger nach Sartre als nach Camus, der auf seinem Weg aus dem französischen Algerien an die Spitze des intellektuellen Paris die Notwendigkeit einer Revolte gegen Gewalt und Willkür gedanklich mit der Notwendigkeit von Solidarität verflocht.
ifa will transnationale Kulturproduktionen fördern
Das Institut für Auslandsbeziehungen braucht solch versöhnliche Worte wie die von Tayou. Zu den Zielen des Instituts zähle es, eine „neues Wir“ zu schaffen, sagt Generalsekretär Ronald Grätz. Ein „globales Verantwortungsgefühl“ sei nötig, um weltumspannende Aufgaben wie den Klimawandel zu bewältigen.
Die Berliner Dependance des ifa hat dafür ein neues Programm geschaffen. Eine einjährige Ausstellungs- und Forschungsreihe im In- und Ausland soll sich mit kolonialen Erbschaften in heutigen Gesellschaften auseinandersetzen. Statt Kultur aus Deutschland zu exportieren, will das ifa transnationale Kulturproduktionen fördern und danach in Deutschland vorstellen. Zwischen April und Oktober führt eine entsprechende „Cross Culture Tour“ auch zu kleineren Spielstätten in Deutschland. Im September soll eine Konferenz in Berlin globales Zusammenleben thematisieren.
Ob das ifa den Kurs langfristig halten kann, hängt auch von Personen ab. In Berlin ist ein Anfang gemacht. Tayou wurde von der neuen, in Marokko geborenen Galerieleiterin Alya Sebti eingeladen. Parallel zur Ausstellung hat sie einen dauerhaften Lesesaal eingerichtet, dessen Regale die Redaktion des vom ifa geförderten Kunstmagazins „Contemporary&“ mit Literatur zu Afrika und der Diaspora füllt. Der weitere Verlauf hängt davon ab, wer nach der Wahl im Herbst im Auswärtigen Amt bestimmt.
ifa-Galerie, Linienstr. 139/140, bis 11. 6; Di bis So 14–18 Uhr