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Der Theatermacher und Dramatiker Falk Richter, 46, lebt in Berlin.
© dpa

Fremdenhass und das Klima in Deutschland: Falk Richter: Es wird wieder ungehemmt gehasst

Wird das gesellschaftliche Klima rauer in Deutschland? Der Theatermacher Falk Richter findet, ja. Am Sonntag feiert in der Berliner Schaubühne sein Stück "Fear" Premiere.

Am Sonntag wird das Gegenwartsstück „Fear“ in der Berliner Schaubühne Premiere feiern, der Autor Falk Richter (46) gehört zu Deutschlands erfolgreichsten Theatermachern. Der gebürtige Hamburger Dramatiker und Regisseur, der in Berlin lebt, befasst sich in Stücken und Projekten wie „Gott ist ein DJ“, „Nothing hurts“, „Das System“, "Trust" oder „Small Town Boy“ mit modernen Identitäten, Medienkritik oder Vereinsamung. In seinem neuen Stück geht es um gesellschaftliche Ängste, die in Hass und Fremdenfeindlichkeit umschlagen kann.

Herr Richter, warum heißt Ihr Stück „Fear“, also Angst?
Unsere Gesellschaft ändert sich. Männer- und Frauen-Bilder verändern sich, Lebens-, Beziehungs- und Familienformen werden offener, es gibt eine größere Vielfalt an Geschlechteridentitäten. Auch unser „Deutsch“-Sein wird gerade neu definiert - von sogenannten Gastarbeiterkindern in der dritten Generation über Künstler, die aus der ganzen Welt nach Berlin kommen bis hin zu den aktuell in Deutschland ankommenden Flüchtlingen. Diese Veränderungen lösen in Teilen der Bevölkerung Ängste aus. Die Angst, Privilegien zu verlieren, die Angst, benachteiligt zu werden.
Es kommen reale Personen im Stück vor - was reizt Sie daran?
Es gibt eine ganze Reihe von Protagonisten, die zurzeit Ängste schüren, um politisch an Einfluss zu gewinnen, gewonnene Offenheiten und Freiheiten infragestellen und zurück wollen zu alten Kategorien der Selektion, des Einteilens in „Richtig“ und „Falsch“. Diese Protagonisten kommen im Stück vor, unter anderem die katholische Fundamentalistin Gabriele Kuby. Aber auch die AfD-Europaabgeordnete Beatrix von Storch. Wir untersuchen ihre Reden, ihre Art zu denken, ihre Rhetorik, klären auf über die verschiedenen Netzwerke, die sich im rechten Spektrum mittlerweile gebildet haben.
Glauben Sie, dass rechtspopulistische Parteien in Europa zunehmend an die Macht kommen in den nächsten Jahren?
Die Gefahr besteht und im Moment lässt sich nicht genau sagen, ob es nur ein kurzweiliges letztes Aufbäumen alter Konzepte ist, oder ob wir tatsächlich einen Rückfall in Nationalstaat, geschlossene Grenzen, Diskriminierung anderer Lebensmodelle und gegenüber allem Fremden erleben werden. Ich hoffe, dass diese Parteien sich selbst zerlegen, weil ihr Führungspersonal weitgehend inkompetent ist oder sich in Grabenkämpfen verlieren wird.

Sehen Sie diese Gefahr auch für Deutschland?
Es hat sich ein Klima breitgemacht, in den Medien, in Talkshows und Demos - im Internet sowieso - in dem wieder ungehemmt gehasst, gepöbelt, diskriminiert wird. Auf diesem Nährboden, auf dem allgegenwärtigen „Das wird man doch wohl noch mal sagen dürfen“, gepaart mit Misstrauen gegenüber Politik und Medien, ist ein Klima entstanden, in dem dieses Jahr bereits viele Asylbewerberheime brannten. Die Gefahr ist also real, dass sich weiter Hass ausbreitet.
Woran liegt es, dass Menschen Minderheiten zutrauen - wie Muslimen oder Schwulen -, sie wollten die Macht übernehmen und alle in ihrem Sinne umerziehen?
Der Feind ist immer die ungelöste Frage in einem selbst. Es ist die Angst der ehemals herrschenden Eliten, genau so behandelt zu werden von den Minderheiten und Unterdrückten, wie sie sie behandelt haben. Wenn bei Pegida in Dresden gegen den „mittelalterlichen Islam, der das Abendland bedroht“ demonstriert wird, und gleichzeitig Galgen für Angela Merkel und Sigmar Gabriel mitgeführt werden, zeigt sich doch sehr deutlich: Die eigentlichen Barbaren sind die Leute selbst, die da Angst vor einem barbarischen Islam zu demonstrieren behaupten. dpa

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