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Das Konzerthaus am Gendarmenmarkt.
© Kitty Kleist-Heinrich

Beethovens Neunte im Konzerthaus: Erhebt euch, Brüder!

Ekstatische Begeisterung: Das Konzerthausorchester spielt Beethovens Neunte und "Family Tree" des japanischen Komponisten Toru Takemitsu.

Wo bleibt der Chor? Mit schöner Linearität hat das Konzerthausorchester die Melodien im Adagio der neunten Symphonie gesteigert, das zweite Thema mit dem ersten variierend, die Streicher mit Espressivo, wie Iván Fischer Beethoven zu dirigieren weiß. Schon gellt der Aufbruch ins Presto durch das Konzerthaus, aber noch ist kein Chor zu sehen, der für Schillers Ode „An die Freude“ bereit wäre. Zart intonieren Celli und Kontrabässe die Freudenhymne, bis es das singende Kollektiv nicht länger auf den Sitzen hält. Fischer wagt das Experiment, den Chor sich erhebend unter das Auditorium im Parkett zu mischen. Das will sagen, dass „alle Menschen“ im gesungenen Wort ihre Freude ausdrücken. Die ekstatische Begeisterung schlägt auch das Publikum in Bann, das die Aufführung heftig feiert. Differenzierung (Doppelfuge!) bleibt aber weitgehend auf der Strecke. Fischer dirigiert in alle Richtungen, die Sänger und Sängerinnen müssen sich nach jedem ihrer Einsätze wieder setzen, damit die Zuhörer um sie herum freie Sicht auf das Orchester erhalten.

„Aus produktionsbedingten Gründen“ singt anstelle des Rundfunchores Berlin The Choir of the Transylvania State Philharmonic und macht seine Sache gut. Im „Flügelquartett“ (Christiane Karg, Gerhild Romberger, Mauro Peter, Hanno Müller-Brachmann) glänzt die Sopranistin mit feiner Höhe. Ein vergnügliches Extra besteht darin, dass die Pauken, direkt am Dirigentenpult positioniert, nicht nur im Scherzo gern dominieren.

„Family Tree“ basiert auf Gedichten von Shuntaro Tanikawa

Dem Freudenschwall geht Besinnliches voraus: „Family Tree“ für eine Sprecherin und buntes Orchester mit viel Schlagwerk von Toru Takemitsu. Der japanische Komponist, der anfangs zur Entwicklung avantgardistischer Musik neigte, bevorzugt neben traditionell fernöstlichem Instrumentarium gegen Ende seines Lebens (1996) eingängigere westliche Musik mit tonalen Elementen und macht sehr viel Filmmusik.

Für das Spätwerk „Family Tree“, das auf sechs Gedichten des japanischen Lyrikers Shuntaro Tanikawa basiert, wünscht sich der Komponist als Sprecherin eine Kindfrau von 15 Jahren. Es geht um Jugend, Großeltern, Eltern. Schwaches Verständnis zwischen den Generationen. Hannah Yukiko Kusaka, die in Berlin aufs Canisius-Kolleg geht, trifft den Ton zart und schlicht. Die Musik Takemitsus ist geeignet, speziell den Klang der Soloinstrumente zu feiern.

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