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Tastend, lauschend. Dirigent Iván Fischer.
© Marc Borggreve

Konzerthaus: Ein ungarischer Abend mit Iván Fischer

Unstillbare Sehnsucht: Dirigent Iván Fischer folgt gemeinsam mit Gästen den Spuren von Roma-Musikern bei Liszt und Brahms.

Ungarn liegt in Zentraleuropa, unserem Empfinden nach aber entfernt es sich unaufhaltsam vom europäischen Kernverständnis. Es ist daher ein feiner politischer Zug des gebürtigen Budapesters Iván Fischer, dem Einfluss Ungarns auf die Klassik nachzulauschen. Genauer noch, der Faszination, die die so genannte Zigeunermusik auf Liszt und Brahms ausübte. Über Generationen gaben Roma-Musiker ihre Klänge weiter, die noch heute durch Geige und Cimbalon strömen, wenn der Primas im Restaurant an den Tisch tritt.

Fischer hat ungarische Gäste eingeladen und überlässt dem mit Klöppeln geschlagenen Hackbrett den ersten Auftritt des Abends. Jenö Lisztes solle einfach spielen, was er will. Das Konzerthausorchester hört zu, wie ein zartes Wirbeln einsetzt, das immer etwas über den harmonischen Rahmen hinausdrängt, wie eine Sehnsucht, die sich nicht stillen lassen will. Es mischt sich auch in Fischers Version von Liszts „Ungarischer Rhapsodie Nr. 11“, die mit der Zwiesprache von wuchtigem Orchester und flirrendem Cimbalon spielt.

Robust und klangsatt

Mit József Lendvay holt sich Fischer einen traditionellen Primas auf die Bühne, arrangiert Brahms „Ungarischen Tanz Nr. 1“ für Einwürfe von Geige und Cimbalon. Die gemessene Form hier, ein schwereloses Gleiten dort, raffinierter Orchestersatz und beiläufiges Virtuosentum. Schließlich tritt noch József Lendvay Junior dazu, ausgebildet in beiden Welten, der seine Stradivari mit herausfordernder Kühle in Sarasates „Zigeunerweisen“ schickt, um aus der Verzögerung ein nicht ganz ausrechenbares Moment der Spannung zu gewinnen. Bewegend, wie Vater und Sohn Lendvay die improvisatorischen Räume nutzen, die Fischer ihnen in Brahms’ „11. Ungarischem Tanz“ eröffnet: tastend, lauschend, eine melancholische Nachhut des Furors.

Robust und klangsatt gehen Fischer und sein Konzerthausorchester Schönbergs Orchesterfassung von Brahms' Klavierquartett g-Moll an. Lautstärke und Klangdruck lasten über dem Werk wie ein tiefliegender Himmel. Wie fern klingt auf einmal das zaubrische Cimbalon.

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