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László Krasznahorkai
© Adrian Dennis/AFP

International Booker Preis für László Krasznahorkai: Eine Sprache wie eine Fusselrolle

Es ist ein später Triumph, den er mit stiller Ausdauer feiert: László Krasznahorkai erhählt den International Booker-Preis.

Er war 31 Jahre alt, als er 1985 in Ungarn seinen Debütroman „Satantango“ veröffentlichte. Doch László Krasnahorkai musste 58 werden, um dessen Übersetzung ins Englische zu erleben. Sein zweites Buch „Die Melancholie des Widerstands“ erschien, als der Eiserne Vorhang fiel und brauchte nur bis 1998, um die anglophone Welt zu erreichen. „Krieg und Krieg“, im Original zur Jahrtausendwende erschienen, schaffte es schon in sechs Jahren. Wenn ihm nun, im Alter von 61 Jahren, in London der mit 60 000 englischen Pfund dotierte International Man Booker Prize für ein Lebenswerk verliehen wird, das nur zum Teil auf Englisch vorliegt, zeugt das von den verschlungenen Wegen, die Schriftsteller manchmal gehen müssen, um international Gehör zu finden.

Es ist verlockend, das auch mit den verschlungenen Sätzen in Verbindung zu bringen, die seine Prosa ausmachen, ihren repetitiven, zirkulären und doch immer wieder auf Auswege sinnenden Strukturen. Krasznahorkais englische Stimme George Szirtes – er teilt sich zusammen mit Ottilie Mulzet den mit 15 000 Pfund dotierten Übersetzerpreis – erkennt darin einen „langsamen Lavafluss des Erzählens“, einen „gewaltigen schwarzen Schriftstrom“. Und die Jury unter dem Vorsitz von Marina Warner würdigt ihn in seiner höchst eigenen Musikalität: „Der Ton wechselt vom Feierlichen zum Verrückten, von da zum Komischen und Verzweifelten.“ In ihrer Gestalt seien sie „wie eine Fusselrolle, die alle Arten verquerer und unerwarteter Dinge aufnimmt, die unaufhaltsam zu ganzen Absätzen anwachsen.“ Krasznahorkai selbst hat sein Verfahren vor der Preisverleihung so beschrieben: „Buchstaben; dann aus Buchstaben Wörter; dann aus diesen Wörtern einige kurze Sätze; dann mehr und längere Sätze, hauptsächlich sehr lange Sätze, und das seit 35 Jahren. Schönheit in der Sprache. Spaß in der Hölle.“

Die Jury unterscheidet zu Recht zwischen den frühen Büchern, die ein sich unerbittlich verfinsterndes, in Agonie verfallenes Ungarn entwerfen, und den späteren, die sich wie der Erzählungsband „Seiobo auf Erden“ in lichtvollere asiatische Räume begeben. Seine deutsche Publikationsgeschichte – der S. Fischer Verlag hält ihm nach dem Untergang von Ammann seit vielen Jahren die Treue – ist, verglichen mit der englischen, fast lückenlos. Die Anerkennung, die er hierzulande genießt, vom frühen DAAD-Stipendium des Berliner Künstlerprogramms im Jahr 1987 bis zum Brücke-Preis 2012 für „Seiobo“ , hat ihn zwar nie in die Höhen seiner Generationsgenossen Péter Esterházy und Péter Nádas katapultiert. Dafür ist der Triumph, den er mit seiner stillen Ausdauer feiert, nun umso größer – und vielleicht ein schöner Anlass, auch seinen jüngsten Erzählungsband „Die Welt voran“ zu lesen. Die Briten müssen darauf noch warten.

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